Zehnte Szene

[431] Olmers – Vorige.


OLMERS stutzt als er hereintritt. Ich bitt' um Vergebung, eine so schöne Unterhaltung muß man nicht stören.


Sperling steht auf.


SABINE. Es hat nichts zu bedeuten. Kommen Sie nur näher.

OLMERS bitter. Nichts zu bedeuten? Es möchte doch wohl Leute geben, denen ein solcher Anblick sehr bedeutend vorkäme.

SPERLING. Ei freilich! Sie sollen wissen, mein Herr, daß nach einer Ewigkeit von zwei Jahren die treue Liebe endlich siegt.

OLMERS. Wirklich? ich wünsche Ihnen Glück.

SPERLING. Wenn Sie einige Wochen bei uns verweilen, so werden Sie einem Feste beiwohnen, an welchem Amor und Hymen sich brüderlich umarmen.

OLMERS. In der Tat?

SABINE. Ja mein Herr, das hoff' ich von ganzem Herzen.

OLMERS. Ei, welche liebenswürdige Offenheit! Natürlich werde ich so lange hier bleiben, denn ich muß für meinen zerbrochenen Wagen doch durch etwas entschädigt werden.

SABINE. Noch bin ich zwar nicht Braut, aber ich hoffe es bald zu werden.

OLMERS. Sie wären es noch nicht? Sie belieben zu scherzen.

SPERLING. Purer klarer Scherz im Gefolge der Grazien.

SABINE. Mein Herr, verstehen Sie mich recht. Schon seit fünf Wochen hab' ich gehofft, daß mein Geliebter sich erklären würde, aber er schwieg.

SPERLING. Er schwieg? Schalkhafte! haben meine Augen denn nicht gesprochen?

OLMERS der zu begreifen anfängt. Er schwieg vielleicht nur, um alles vorzubereiten.

SPERLING. Ganz recht, mein Herr. In meiner künftigen Wohnung wird noch gebaut. Jetzt logier' ich im Dachstübchen bei dem Herrn Vizekirchenvorsteher.

SABINE. Er hätte mir doch durch die dritte Hand eine schriftliche Nachricht können zukommen lassen.

SPERLING. Lag ich denn nicht täglich selber zu Ihren Füßen?

OLMERS. Vielleicht hat er ein strenges Verbot, welches die Sittsamkeit ihm auflegte, zu gewissenhaft erfüllt.

SPERLING. Erraten, mein Herr. Als die Mamsell nach der[431] Residenz ging, verbot sie mir ausdrücklich, meine Seufzer durch die Post zu spedieren.

SABINE. Einer dienstfertigen Muhme hätte man sich immer vertrauen mögen.

SPERLING. Schönste Mademoisell, alle unsere Muhmen sind Klatschmäuler.

OLMERS. Vielleicht glaubte man auch, von Liebe und Treue bereits so viele Proben abgelegt zu haben, daß man auf edles Vertrauen rechnen dürfe.

SPERLING. Getroffen, mein Herr. Ich bin ja so treu als der Hund des Melai in Meißners Skizzen.

SABINE. Sie glauben also wirklich, Herr Olmers, daß mein Geliebter noch ebenso warm für mich empfinde, als vormals?

SPERLING. Nur warm? – siedend heiß! – Ja, Mademoisell! hätte Archimedes solche Liebe empfunden, er hätte seine Spiegel nicht gebraucht, um die feindliche Flotte in Brand zu stecken.

OLMERS. Ich wage zu behaupten, daß seine Empfindungen durch die Abwesenheit nur noch heftiger geworden.

SPERLING. Freilich, freilich. Als sie in der Stadt war, wollt' ich rasend werden.

SABINE. Nun so bin ich beruhigt.

SPERLING. Endlich!

OLMERS. Auch ich.

SPERLING. Sie sind ein scharmanter Mann, daß Sie um meinetwillen sich so beunruhigt haben. Ich bitte mir Ihre Freundschaft aus.

OLMERS. Gehorsamer Diener.

SABINE. Wer mich aufrichtig liebt, wird es aber nicht bloß mir sagen.

SPERLING. Wem sonst?

OLMERS. Vermutlich wird er sich Ihrem Herrn Vater entdecken.

SPERLING. Ist ja schon geschehn.

SABINE. Was noch zu tun wäre, muß bald geschehn, da meine Verlobung bereits auf morgen festgesetzt worden.

SPERLING. Eben deswegen ist nichts mehr vonnöten.

OLMERS. Und wäre noch etwas vonnöten, so wird es sicher diesen Abend geschehn.

SPERLING. Natürlich.

SABINE. Ich schwebe zwischen Furcht und Hoffnung.[432]

SPERLING. Werfen Sie sich der Hoffnung getrost in die Arme.

OLMERS. Mächtige Fürsprache kann Gutes bewirken.

SPERLING. Wozu? die Familie ist einig.


Der Schmetterling vermählt sich mit der Rose,

Und trinkt entzückt den Tau aus ihrem Schoße.

SABINE. Wohlan! in Gegenwart dieses Herrn schwör' ich nochmals ewige Liebe!

OLMERS. Ich empfange den Schwur im Namen des Geliebten.

SPERLING. Ach wie rührend!

SABINE. Keine Gewalt soll mich von ihm trennen!

OLMERS. Er ist auf ewig mit Ihnen verbunden.

SPERLING. Meine Tränen fließen.

SABINE. Zum Pfand des Schwurs reich' ich die Hand.

OLMERS. Dankbar drücke ich sie an die Lippen.

SPERLING. Na, ich bin recht seelenvergnügt.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 431-433.
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