Zehnter Auftritt


[57] Bittermann – Die Vorigen.


BITTERMANN. Guten Morgen, guten Morgen, meine liebe scharmante Madam Müller; ich freue mich recht herzlich, Sie wohl zu sehen. Hochdieselben haben mich rufen lassen. Vermutlich etwas Neues aus der Residenz? – Ja, ja, es gehn wichtige Dinge vor; ich habe auch Briefe. –

EULALIA lächelnd. Freilich, lieber Herr Bittermann; Sie korrespondieren ja mit der ganzen Welt.

BITTERMANN wichtig. Wenigstens habe ich den Hauptstädten von Europa meine sichern Korrespondenten.

EULALIA. Und doch zweifle ich, ob Sie wissen, was heute hier im Hause vorgehen wird?

BITTERMANN. Hier im Hause? Nichts von Bedeutung. Wir wollten heute ein paar Tonnen Gerste aussäen; aber die Witterung ist mir zu trocken. Ich hatte gestern Briefe aus Siebenbürgen; auch da mangelt der liebe Regen. Die allgemeine Klage durch ganz Europa! Doch ein Pläsierchen können Sie sich heute machen, wir haben Schafschur.

PETER. Und die Eier der großen Glucke müssen heut auskommen. Und der wilde braune Hengst –

BITTERMANN. Schweig, Tölpel![57]

PETER. Nun da haben wir's! ich darf das Maul nicht auftun.


Er setzt seinen Hut auf und geht maulend ab.


EULALIA. Unser Graf wird heute hier sein.

BITTERMANN. Wie? Was?

EULALIA. Nebst seiner Gemahlin und seinem Schwager, dem Major von der Horst.

BITTERMANN. Spaß apart?

EULALIA. Sie wissen, lieber Herr Bittermann; ich bin eben nicht sehr spaßhaft.

BITTERMANN. Peter! – Du lieber Gott! Seine Hochgeborne Exzellenz, der Herr Graf, in eigener hoher Person – Peter! – und die gnädige Frau Gräfin – und seine Hochwohlgebornen Gnaden, der Herr Major – und hier ist nichts in der gehörigen Ordnung – Peter! Peter!

PETER. Nu, was gibt's schon wieder?

BITTERMANN. Ruf doch geschwind die Leute zusammen; schick nach dem Förster; er soll ein Reh in die herrschaftliche Küche liefern – und Liese soll die Zimmer fegen und den Staub von den Spiegeln wischen, damit die gnädige Frau Gräfin sich darin besehen kann – und der Koch soll in der Eil ein paar Kapaunen schlachten – und Hans soll einen Hecht aus dem Teiche holen – und Friedrich soll meine Sonntagsperücke frisieren.


Peter ab.


EULALIA. Vor allen Dingen lassen Sie die Betten lüften und die Sofas aufklopfen. Sie wissen, der Herr Graf hat es gern ein wenig bequem.

BITTERMANN. Freilich freilich, meine liebe scharmante Madam Müller, das muß sogleich geschehen. Verzweifelt! da hab' ich im grünen Zimmer Erdäpfel aufgeschüttet; die können nicht so eilig transportiert werden.

EULALIA. Ist ja auch nicht nötig.

BITTERMANN. Lieber Gott! wo soll denn der Herr Major von der Horst logieren?

EULALIA. Geben Sie ihm das kleine rote Zimmer an der Treppe; das ist ein niedliches Zimmer und hat eine herrliche Aussicht.

BITTERMANN. Recht gut, liebe Herzensmadam Müller; aber da hat sonst immer der Haussekretär des Herrn Grafen gewohnt. Zwar, den brauchen Seine Exzellenz eben nicht notwendig; er hat alle Jahr kaum ein paar Briefe zu schreiben. Man könnte ihm – halt! es kommt mir da ein vortrefflicher Einfall. Sie kennen das kleine Häuschen am Ende des[58] Parks? Da wollen wir den Herrn Sekretär hinstopfen.

EULALIA. Sie vergessen, lieber Herr Bittermann, da wohnt der Fremde.

BITTERMANN. Ach, was geht uns der Fremde an? Wer hat ihn heißen hineinziehen? er muß heraus.

EULALIA. Das wäre unbillig. Sie selbst haben die Wohnung ihm eingeräumet, und ich denke, er bezahlt sie Ihnen gut.

BITTERMANN. Er bezahlt wohl, und so ein Akzidens für einen armen Verwalter ist freilich nicht zu verachten; aber –

EULALIA. Nun, aber?

BITTERMANN. Aber man weiß doch nicht, wer er ist; kein Teufel kann klug aus ihm werden. Ich habe den Henker von seinem Gelde, wenn er mich für jeden Groschen quälen will.

EULALIA. Er quält Sie? wodurch?

BITTERMANN. Zerbrech' ich mir denn nicht schon seit ganzen Monaten vergebens den Kopf, um hinter das Geheimnis zu kommen? Zwar hatt' ich vor kurzem einen Brief aus Spanien, in welchem man mir meldet, daß sich in hiesigen Gegenden ein Spion aufhalte; und der Beschreibung nach –

EULALIA lächelnd. Leicht möglich! Der König von Spanien hat von Ihrer vortrefflichen Schafzucht gehört, und da seine eigenen Schafe nicht viel taugen, so will er Ihnen die Kunstgriffe ablauren lassen. Nein, lieber Herr Bittermann, lassen Sie den fremden, geheimnisvollen Mann zufrieden. Er ist mir zwar noch nie in den Wurf gekommen, und ich bin auch eben nicht neugierig, ihn zu sehen; aber alles, was ich von ihm höre, charakterisiert ihn als einen Menschen, den man allenthalben wohl dulden mag. – Er lebt still und friedlich.

BITTERMANN. Das tut er.

EULALIA. Er erzeigt manche Wohltat im verborgenen.

BITTERMANN. Das tut er.

EULALIA. Er beleidigt kein Kind.

BITTERMANN. Nein, das tut er nicht.

EULALIA. Er fällt niemanden zur Last.

BITTERMANN. Nein, das auch nicht.

EULALIA. Nun, was wollen Sie mehr?

BITTERMANN. Ich will wissen, wer er ist. – Und wenn er einem nur Rede stünde, daß man ihn bei Gelegenheit fein ausholen könnte! Aber wenn er mir auch einmal im dunklen Lindengange, oder unten am Bache aufstößt – das sind so seine beiden Lieblingsspaziergänge – so heißt es: guten[59] Tag und guten Weg, und damit holla! – Ich habe ein paarmal angefangen: es ist heute schönes Wetter. – Ja. – Die Bäume fangen schon an auszuschlagen. – Ja. – Der Herr machen sich, wie ich sehe, eine kleine Bewegung. – Ja. – Nun so geh du und der Teufel! Und wie der Herr, so der Diener; gerade so ein Stax. Ich weiß nicht eine Silbe von ihm, als daß er Franz heißt.

EULALIA. Sie ereifern sich, lieber Herr Bittermann, und vergessen ganz darüber die Ankunft unsers Grafen.

BITTERMANN. Ach der Teufel! Gott verzeih mir die Sünde! Da sehn Sie nun, liebe Madam Müller, was für Unglück daraus entsteht, wenn man die Leute nicht kennt.

EULALIA nach der Uhr sehend. Schon neun Uhr! Wenn der Herr Graf sich ein Stündchen von seinem Schlafe abgebrochen hat, so kann die Herrschaft bald hier sein. Ich gehe das Meinige zu tun; tun Sie das Ihrige. Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 57-60.
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