Erster Auftritt


[61] Der Major von der Horst hereingeführt von Bittermann und Peter, welcher während dieser ganzen Szene das Echo und der Affe seines Vaters ist.


BITTERMANN. Ich habe die Ehre, Ew. Hochfreiherrlichen Gnaden in meiner geringen Person den Herrn Haushofmeister Bittermann vorzustellen, welcher die Stunde selig preist, da ihm das Glück zuteil worden, den Hochfreiherrlichen Herrn Schwager Seiner Hochgräflichen Exzellenz von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen.

PETER. Kennenzulernen.

DER MAJOR. O, schon mehr als zuviel, lieber Herr Bittermann! Ich bin Soldat, wie Sie sehen; ich mache wenig Umstände, und begehre dergleichen auch nicht von andern.

BITTERMANN. Bitte, bitte, Herr Major; wenn man gleich auf dem Lande lebt, so kennt man doch seine tiefe Schuldigkeit gegen hohe Personen.

PETER. Man kennt seine Schuldigkeit.

DER MAJOR. Nun, nun, wir werden schon noch bekannter werden. Sie sollen wissen, Herr Bittermann, daß ich wenigstens ein paar Monate lang die Einkünfte von Wintersee werde verzehren helfen.

BITTERMANN. Warum nicht jahrelang, Ew. Hochfreiherrlichen Gnaden? Dem alten Bittermann ist's eben recht. Der hat, ohne Ruhm zu melden, zusammengescharrt und -gespart, daß Se. Hochgräfliche Exzellenz darüber erstaunen werden.

DER MAJOR. Desto besser! Ein Sparer will einen Vertuer, und da finden Sie an meinem Schwager Ihren Mann. Sie wissen doch, daß er den Dienst quittieret hat, und in Zukunft sein Leben in Fried' und Ruhe hier auf Wintersee zu beschließen gedenkt?

BITTERMANN. Was Sie mir sagen! Nein, nicht eine Silbe ist mir zu Ohren gekommen.

PETER. Mir auch nicht.

DER MAJOR. Sie haben unsern alten Fürsten gekannt? Der war kein Liebhaber von Soldaten, hielt deren nur gerade soviel, als nötig war, um die Wache vor seinem Schlosse und an den Toren zu besetzen. Daran tat er auch, nach meiner Meinung, sehr wohl; denn sein Land vermag für Ernst zuwenig,[61] und ein paar tausend Mann sind für Spaß zuviel. Andere Zeiten, andere Sitten. Der Alte starb, und der junge Fürst vertauschte seine hölzernen Puppen mit lebendigen. Da ging es nun an ein Exerzieren und Marschieren den lieben langen Tag. Früh um vier Uhr saß der Fürst schon zu Pferde. Das stand meinem Schwager, dem Herrn General, nicht an. Er hatte sich immer im Lehnsessel die Rapports bringen lassen, war höchstens in jeder Woche einmal auf der Parade erschienen, und nun sollt' er dem Kinderspiel seine Bequemlichkeit aufopfern: – flugs nahm er seinen Abschied.

BITTERMANN. Ei! ei!

PETER. Ei! ei!

BITTERMANN. Wunderlich, aber vortrefflich; besonders in Rücksicht auf meine Wenigkeit. Nun wird der alte Bittermann erst recht zu leben anfangen.

PETER. Und der junge Peter auch.

BITTERMANN. Der Herr Graf erhalten posttäglich, wie ich mich noch ganz wohl erinnere, den Hamburgischen unparteiischen Korrespondenten und den lustigen Erlanger. Nichts Neues, Herr Major, aus der politischen Welt?

DER MAJOR. Nichts, als daß der Krieg zwischen den benachbarten Mächten wahrscheinlich bald ausbrechen wird.

BITTERMANN sehr wichtig. O, das wissen wir schon seit zwei Monaten.

PETER. Ja, das wissen wir schon.

DER MAJOR lächelnd. Nicht möglich, Herr Bittermann! Vor zwei Monaten wußten die kriegführenden Mächte selbst noch nichts davon.

BITTERMANN. Ha! ha! ha! das ist eben der Spaß von der Sache. Man hat Freunde im Ministerium – man hat Korrespondenten – man erhält Briefe von allen Seiten.

DER MAJOR welchem die Unterhaltung herzliche Langeweile macht, für sich. Ich merke wohl, es wäre besser gewesen, ein paar Stunden auf der Straße die Langeweile zu ertragen. Da hat man doch Bäume um sich, und den blauen Himmel über sich.

BITTERMANN. Bedaure nur, daß nicht imstande bin, dem gnädigen Herrn die Zeit zu passieren.

PETER. Bedaure recht sehr.

BITTERMANN. Weiß gar nicht, wo Madam Müller stecken mag. Das ist eine Frau, die Mundwerk hat.

DER MAJOR. Madam Müller? Wer ist diese Madam Müller?[62]

BITTERMANN. Ja, lieber Gott! wer sie ist, das weiß ich so eigentlich nicht zu sagen.

PETER. Ich auch nicht.

BITTERMANN. Keiner meiner Korrespondenten hat mir darüber Nachricht geben können. Sie ist hier quasi Haushälterin. – Mir deucht, ich höre ihre Silberstimme auf der Treppe. Ich werde sogleich die Ehre haben, sie heraufzuschicken.

DER MAJOR. Bemühen Sie sich nicht.

BITTERMANN. Was bemühen! Ich bin Ew. Gnaden allezeit bereitwilliger Diener.


Mit vielen Verbeugungen ab.


PETER murmelt auch sein Bereitwilliger Diener zwischen den Zähnen, macht viele Kratzfüße und geht.

DER MAJOR. Nun werden sie mir gar ein altes Weib auf den Hals schicken. – Die wird mich zu Boden schwatzen! – O köstliche Geduld!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 61-63.
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