Eilfter Auftritt


[75] Der Graf – Bittermann – die Vorigen.


GRÄFIN ihrem Gemahl entgegen, ihn in ihre Arme schließend. Ach mein Bester!

GRAF. Drei Schritt vom Leibe! Sie sehen ja, daß ich triefe.

GRÄFIN. Um Gottes willen! geschwind trockene Wäsche!

GRAF. Nun ja, ja! Sein Sie ruhig; es hat keine Gefahr. Ein alter Soldat ist wohl eher ein bißchen in der Schwemme gewesen. Aber es hätte übel ablaufen können, wenn nicht der großmütige Fremde – Wer ist der Mann? wer kennt ihn? Bittermann hat mir da allerlei verworrenes Zeug vorgeschwatzt.[75]

EULALIA. Man kann nicht klug aus ihm werden. Er kam vor einigen Monaten in diese Gegend und mietete von Bittermann das kleine Haus am Ende des Parks. Da lebt er ganz im stillen; er sieht niemand, er spricht mit niemand; ich selbst sah ihn nur ein paarmal von ferne. Scheu und gebückt schleicht er umher und weicht jedermann aus; aber er tut viel Gutes im verborgenen.

GRAF. Lotte, geh hin und bitt' ihn auf den Abend zum Essen. Er möchte vorlieb nehmen, hörst du? er käme in das Haus eines Freundes.

GRÄFIN. Sie vergessen sich umzukleiden.

GRAF. Gleich, gleich.

GRÄFIN. Und niederschlagendes Pulver einzunehmen.

GRAF. Ich habe den Henker von Ihrem niederschlagenden Pulver. Ein Glas Malaga, um das Blut ein wenig lebhafter durch die Adern zu jagen. – Hör Er, Bittermann, das muß ich Ihm nachsagen, Er hat eine helle durchdringende Stimme; Er kann brüllen, daß mans bis unter das Wasser hört.

BITTERMANN. Ew. Hochgräflichen Exzellenz untertänigst aufzuwarten.

GRAF. Aber mit Seiner chinesischen Brücke kann Er zum Teufel gehn.


Ab.


GRÄFIN. Komm, Bruder, wir müssen ihn überreden, daß er ein paar Teelöffel voll Unzerisch Pulver einnimmt. Sie haben doch welches im Hause, liebe Madam Müller?

EULALIA. Augenblicklich. Sie greift nach ihren Schlüsseln und geht ab.


Gräfin und der Major folgen dem Grafen.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 75-76.
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