Vierter Auftritt


[67] Eulalia – Der Major.

Eulalia schlägt die Augen nieder und kämpft mit der Verwirrung einer schönen Seele, welche man auf einer guten Tat ertappt hat.[67] Der Major steht ihr gegenüber und wirft von Zeit zu Zeit Blicke auf sie, in welchen sein Herz schwimmt.


EULALIA bemüht sich ein anderes Gespräch anzuknüpfen. Mir deucht, der Herr Graf könnte nun bald hier sein.

DER MAJOR. Nicht doch, Madam. Er mag immer langsam fahren; die Wege sind holpericht. Sein Außenbleiben hat mir eine Unterhaltung verschafft, die ich nie vergessen werde.

EULALIA lächelnd. Ei, Herr Major, Sie machen eine Satire auf die Menschen.

DER MAJOR. Wieso?

EULALIA. Weil dergleichen Auftritte Ihnen selten scheinen.

DER MAJOR. Wirklich, Madam, Sie haben's erraten. – Und heute – ich gestehe es – ich war so wenig vorbereitet auf eine Bekanntschaft, wie die Ihrige – ich fühlte mich so sehr überrascht – Als mir Bittermann Ihren Namen nannte; – wer hätte glauben sollen, daß hinter einem so alltäglichen Namen –

EULALIA schnell einfallend. Ein nicht ganz alltägliches Weib verborgen wäre? – Scherzend. Darum rate ich Ihnen – was schon mancher Sittenlehrer ohne Erfolg angepriesen hat – einen guten Menschen ohne Namen immer höher zu schätzen, als einen Toren, dessen Name dreihundert Jahre alt ist. – Verzeihen Sie! Ich werde mutwillig. Weiber kommen so leicht ins Plaudern.

DER MAJOR. Und wissen so fein von der Straße abzulenken. – Von Ihrem Namen war die Rede.

EULALIA. Nun ja, ich denke ihn nicht berühmter zu machen, als er ist.

DER MAJOR. Verzeihen Sie meine Neubegier. Sie waren – Schüchtern. oder sind verheuratet?

EULALIA plötzlich aus ihrer muntern Laune in traurigen Ernst fallend. Ich war verheuratet, Herr Major.

DER MAJOR dessen neugierige Äußerungen doch immer in den Grenzen des feinsten Anstandes bleiben. Witwe also? –

EULALIA. Ich bitte Sie – es gibt Saiten im menschlichen Herzen, deren Berührung zuweilen einen so traurigen Mißton hervorbringt – ich bitte Sie –

DER MAJOR. Ich verstehe.


Er schweigt ehrerbietig.


EULALIA nach einer Pause ihre vorige Laune wieder erkünstelnd. Wahrhaftig, ich werde anfangen, dem Herrn Bittermann[68] seine Kunstgriffe abzulernen. Nichts Neues aus der Residenz, Herr Major?

DER MAJOR. Nichts von Bedeutung. Doch – ich kann nicht wissen, was Sie dort interessiert, welche Bekanntschaften Sie haben.

EULALIA. Ich? nicht eine einzige.

DER MAJOR. Also wohl gar nicht einmal in unserm Lande geboren?

EULALIA. Weder geboren, noch erzogen.

DER MAJOR. Darf ich fragen, welcher Himmelsstrich –

EULALIA. So glücklich gewesen, meine Wenigkeit hervorzubringen? Ich bin eine Deutsche; das heilige römische Reich ist mein Vaterland.

DER MAJOR. Wirklich, Sie wissen alles in einen geheimnisvollen Schleier zu hüllen; nur Ihre Vorzüge nicht.

EULALIA. Das müssen Sie schon der weiblichen Eitelkeit zugute halten.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 67-69.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Menschenhaß und Reue
Menschenhaß und Reue