Achter Auftritt


[72] Lotte – Eulalia.


LOTTE im Hereintreten, zur Tür hinaus belfernd. Nun ja, das wäre mir eben recht. Warum nicht lieber gar in den Stall? – Ihre Dienerin, Madam Müller. Ich bitte mir ein Zimmer aus, wie es sich für eine honette Person geziemt.

EULALIA. Ich denke, man hat Ihnen ein recht artiges Zimmerchen eingeräumt.[72]

LOTTE. Ein artiges Zimmerchen? seht doch! hinten an der Treppe, gerade über dem Kuhstall. Fi! Da könnt' ich vor Gestank kein Auge zutun.

EULALIA sehr sanft. Ich habe selbst ein ganzes Jahr lang da geschlafen.

LOTTE. Wahrhaftig? Nun so rate ich Ihnen, je eher je lieber wieder hineinzuziehen. Meine liebe Madam, es ist ein großer Unterschied zwischen gewissen Personen und gewissen Personen; es kommt gar viel darauf an, wie man es von Jugend auf gewohnt gewesen. Mein seliger Papa war Hofkutscher, und trug die Livree Sr. Durchlaucht. Gewisse Personen sind so aus der Luft heruntergeschneit, und mögen freilich wohl ihre Nasen von Kindheit auf an den Geruch von Kuhställen gewöhnt haben. – Ich dächte, Madam, Sie träten mir Ihr Zimmer ab.

EULALIA. Wenn die Frau Gräfin es befiehlt, recht gern.

LOTTE. Wenn die Frau Gräfin es befiehlt? Seht doch! Wer wird denn hohe Herrschaften mit solchen Bagatellen überlaufen? Ich werde meinen Koffer dahin bringen lassen, wohin es mir beliebt.

EULALIA. Das mögen Sie tun; nur nicht auf mein Zimmer.

LOTTE. Auf Ihr Zimmer, Madam.

EULALIA. Ich trage den Schlüssel in meiner Tasche.

LOTTE. So bitt' ich mir ihn aus.

EULALIA. Auf Befehl der Frau Gräfin augenblicklich.

LOTTE. Verdammt! Doch warum such ich auch Lebensart unter Hühnern und Gänsen?


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 72-73.
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