Dritter Auftritt


[76] Die Vorigen in der Laube. Junge Mädchen aus dem Dorfe, geschmückt und Girlanden tragend, treten auf.


Nr. 14. Ensemble


MÄDCHEN.

Um die Laube zu schmücken zu Freude und Glanz,

Eilet Blumen zu pflücken und windet den Kranz.

Ach, wir möchten gern dem Herrn es sagen,

Daß im Herzen wir ihn alle tragen.

Wenn sein Aug' auf einem ruht,

Wird ein'm so wonnig, wird ein'm so gut.

Ganz apart ist seine Art und seine Weise.

Um die Laube zu schmücken zu Freude und Glanz,

Eilet Blumen zu pflücken und windet den Kranz.

Unser Bestreben ist nur allein,

Für so viel Glück dankbar zu sein.


Alle wenden sich nach der Laube und wollen, als sie den Graf erblicken, mit einem Schrei davonlaufen.


GRAF vertritt ihnen den Weg.

Halt! Ihr schönen Kinder!

MÄDCHEN.

Der gnäd'ge Herr!

GRAF.

Für so viel edle Denkungsart

Werde nicht der Dank gespart.

MÄDCHEN.

Wir schämen uns.

GRAF.

Ei, warum schämen?

MÄDCHEN.

Sie könnten übel es wohl nehmen.

GRAF.

Mitnichten, meine Kinder!

Nichts kann den Herrscher wohl mehr erfreun,

Als vom Volke so geliebt zu sein.

Und zum Beweise meiner Huld[76]

Gelob' ich, heut bei Festes Glanz

Jede zu führen zum frohen Tanz.

BARON.

Der freu'ge Lärm mehrt meine Pein!

GRAF.

Das soll 'ne wahre Freude sein!

MÄDCHEN unter sich.

Er tanzt mit uns! Ach, das wird herrlich sein!

GRAF.

Ihr könnt doch tanzen?

ERSTES MÄDCHEN mit einem Knicks.

Ich tanze gut!

ZWEITES MÄDCHEN.

Ich tanze besser!

ALLE sich vordrängend.

Auch ich! Auch ich!

GRAF. WAS NICHT DER EHRGEIZ TUT!

Wohlan, ihr holden Mädchen,

Laßt ein Pröbchen mich sehn.

MÄDCHEN drängen sich an ihn.

Sogleich, mit tausend Freuden,

Der Herr muß es verstehn.

GRAF.

Nicht all auf einmal! 's wird besser sein,

Ich tanz' mit jeder zuerst allein.

MÄDCHEN unter sich.

's wird besser sein, es tanzet jede mit ihm allein.


Graf walzt abwechselnd mit einigen.


DIE ANDERN Sammeln sich auf der Seite, die Köpfe zusammensteckend und lästernd.

Die glaubt nun gleich, daß sie allein gefällt.

Wie sie sich ziert, wie sie die Beine stellt.

Seht doch nur hin, es ist zu lächerlich!

Da tanze ich doch etwas besser, ich!

BARON in der Laube.

Wie pocht mein armes Herz!

Könnt' ich betäuben diesen Schmerz!

Vor Sehnsucht und Verlangen pocht mein Herz!

DIE ANDERN MÄDCHEN.


Seht nur hin, wir tanzen besser, viel besser!

Ach Gott, wie lächerlich! Ach Gott, wie lächerlich!

BARON steht auf.

Oh, welche Qual! Schmerzerfüllt

Muß ich einsam hier stehn,

Darf nicht im Tanze mit ihnen mich drehn.

GRAF zu den Mädchen.

Herrlich! Prächtig! Wunderschön

Wißt ihr im Tanze euch zu drehn. –


Zum Baron.
[77]


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Wie kannst du ruhig bleiben?

EINIGE MÄDCHEN unter sich streitend.

Ich tanz' am besten, hat er gesagt!

ANDERE ebenso.

Nein ich, hat er gesagt!

ALLE den Grafen umringend.

Wer tanzt am besten?

GRAF.

Jede gut auf ihre Art.

Noch kann bestimmt ich nicht entscheiden,

Da an der Reih' ihr all' nicht wart.

DIE MÄDCHEN sich wieder herandrängend.

Jetzt komm' ich! Jetzt komm' ich! Jetzt komm' ich!

GRAF.

Nicht all' auf einmal! Nicht all' auf einmal!


Beginnt wieder zu tanzen.


BARON.

Oh, diese Qual das Herz mir bricht!

Ich ertrag' es länger nicht; eine innre Stimme spricht:

Aus Verzweiflung ergib dich den Scherzen,

Betäube die Schmerzen!


Er kann sich nicht länger halten, ergreift ein Mädchen und walzt mit ihm. Der Graf hat indessen mehrere Male gewechselt. Die Mädchen können sich auch nicht länger halten und walzen miteinander. Die Gräfin tritt plötzlich mitten unter sie. Die Mädchen laufen schreiend davon. Graf und Baron stehen in großer Verlegenheit da.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 76-78.
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