Scena III.

[24] Deus Pater, Jesus Christus, Veritas, Justitia, Misericordia, Pax, Satan.


JESUS CHRISTUS knieend.

Ach, warer Got in ewigkeit,

hör doch mich, deinen son, die zeit!

es get ser übel, übel zu,

der teufel hat gemacht unru,

den menschen zum abfall gebracht.

ich bitt durch dein göttliche macht,

des menschen dich ja wolst erbarmen;

der Satan fürt daher die armen.

DEUS PATER.

Ach we, das ist ein kurze frist,

nach dem der mensch geschaffen ist,

und sol so bald zu grunde gen,

ach we, das solches je geschehn!

nun muß die edle creatur,

nach unserm bildnus und figur[24]

geschaffen, so bald verloren sein

und leiden ewig hellisch pein.

VERITAS.

Ja, der du bist von ewigkeit,

ein warhaftiger Got allzeit,

und ich bei dir stets wonen sol,

so weistu ja die stunde wol,

da du sprachst: wann ir euch vermeßet

und von dem baum des erkentnis eßet,

solt ir dadurch die hell erwerben,

als bald des ewigen todes sterben.

sie aber han veracht dein wort,

so muß die straf ergehen fort.

JUSTITIA.

Es kan und mag nicht anders sein.

weil du, Got, bist gerecht allein,

und dise beid gesündigt han,

so muß die strafe bald ergan.

dem ewign tot seind sie ergeben,

han kein teil an dem ewign leben.

das ist ir wol verdienter lon,

weil sie dir nicht gehorchet han.

SATAN.

Ich klag sie beid hie an zu recht,

das sie nun seind der sünden knecht,

dem ewign tot darzu verpflicht;

es darf mer disputierens nicht.

drumb schrei ich zeter über sie

vor disem gstrengen gricht allhie,

und wiltu sein ein grechter Got,

so gib sie hin dem ewign tot,

wie du dann selber hast gesprochen,

es solt werden an sie gerochen.

JUSTITIA.

Sie seind verdammt, da hilft nichts zu,

den stecken wil ich brechen nu.[25]

MISERICORDIA.

Ach, nicht, du aller höchster Got,

ergib den menschen in den tot!

dann ob er gleich gefallen ist,

betrogen auch durchs teufels list,

und du, warhaftig und gerecht,

bist zornig übers menschlich gschlecht,

das sie gehandelt wider dich,

so denke doch auch, herr, an mich,

an dein Barmherzigkeit, ich mein.

laß sie nicht gar verloren sein

und gib doch meiner bitte stat,

ob wer zu finden hülf und rat;

richt nicht als bald in deinem zorn.

solt sein das menschlich gschlecht verlorn,

die gschaffen seind nach deinem bild?

ach nein, laß sein dein zorn gestillt,

such mittel, das er werd erlöst

und alle himlisch schar getröst,

die trauren über disen fal.

ach herr, du wirst es treffen wol.

DEUS PATER.

Was ich geredt, muß bleiben schlecht,

dann ich warhaftig und gerecht.

weil nun der mensch gesündigt hat,

so ist zu finden sonst kein rat,

der mensch dafür auch sterben sol,

und ob ich bin barmherzig wol,

mich auch des menschen jammert hart,

der nach meim bild geschaffen ward,

darzu mit edlen gabn geziert,

und auf das aller schönst formiert,

das derselb sol vergen so bald,

im auch, wo müglich, helfen wolt,

so muß warhaftig sein mein wort

in ewigkeit an allem ort.

VERITAS.

Erhalt die warheit ewiglich,

laß nicht zu schanden werden mich,[26]

und weil dann ist der fal geschehn,

sol billich auch die straf ergen.

JUSTITIA.

Ergrim dich und laß gen wie recht

das urteil übers menschlich gschlecht,

das ich nicht werd geschmecht forthin,

weil ich bei dir im himmel bin.

PAX.

Ach, vater der barmherzigkeit,

wie kommen wir zu solchem streit?

bedenk die fridsamkeit, o herr,

laß nicht ergen das urteil schwer

über der menschen schrecklichen fal!

wir wollen einig werden all.

herr, laß nicht zank sein unter uns,

erzeig dem menschen gnad und gunst.

auch wolt, ir liebsten schwestern zwu,

hiermit ein wenig sein zu ru;

dann du, herr, ja die einigkeit

lieb hast, drumb hör uns doch all beid.

verwirf sie nicht, barmherzig sei!

ir lieben schwestern, stet uns bei,

helft raten und gebt guten trost,

wie der mensch werd vom tot erlost.

JUSTITIA.

So mir damit nichts wird benommen,

kan ichs darzu wol laßen kommen;

jedoch geschicht gerechtigkeit.

VERITAS.

Ich kan angeben auch den streit;

jedoch wil ich im himmel bleiben,

daraus mich keiner sol vertreiben.

MISERICORDIA.

Diß alles kan doch wol geschehn.

dein barmherzigkeit, herr, laß sehn,[27]

daß ich bei dir mög bleiben fest;

erbarm dich, herr, und rat das best.

PAX.

Herr, gib, das frid und einigkeit

bei uns erhalten werd allzeit.

den menschen lös aus dieser gfar,

laß in nicht sein verloren gar.

DEUS PATER.

Weil ir gebt all den willen drein,

daß der mensch mög erlöset sein

von teufel, sünden, hell und tot,

und nicht kom in die ewig not,

auch war ist, das ich bin gerecht,

warhaft, barmherzig, fridsam schlecht,

solt ir all ewig bei mir wonen;

des menschen wollen wir verschonen,

das er bein teufeln in der hell

nicht leiden darf die ewig quel.

SATAN.

So sag ich: du bist nicht gerecht,

zu mir gehört das menschlich gschlecht,

seind ganz verdammt zum ewign tot,

das sie gebrochen dein gebot.

DEUS PATER.

Gerechtigkeit wird bleiben wol;

fürm ungerechten sterben sol,

der nie kein übels hat getan,

so ist dem menschen gholfen schon.

bind auf die band, pack dich bei zeit,

hast hie nicht mer zu schaffen heut.

SATAN.

Hie kom ein ander vor gericht,

wann rechte klag sol gelten nicht,

und man wil richten nur nach gunst!

hie war verloren meine kunst.[28]

wolan, ich laße doch nicht nach,

biß ich recht ausfür dise sach.


Get damit zur hellen und bleibt Adam und Eva unten am Himmel stehen.


DEUS PATER.

Weil nun je unser ewig rat

solches alhie beschloßen hat,

das Adams schuld bezalet werd

durch einen menschen auf der erd,

der irdisch mensch aber zu schwach,

auf sich zu laden dise sach,

das er für aller menschen sünd

den großen zorn ertragen künd,

ja, möcht nicht kommen aus dem tot,

so blieben sie in solcher not:

hab ich beschloßen, lieber son,

das du dasselbig sollest tun,

den menschen von dem tot erretten,

dem teufel auch sein kopf zertreten,

der hellen nemen ir gewalt

und richtens aus in menschen gstalt,

auf das der mensch zum himmel kom,

und werd dadurch gepreist mein nam.

JESUS CHRISTUS.

Ja, was dein göttlich majestat

alhie mir auferleget hat,

wil ich aus großer lieb und gunst,

die ich trag zu den menschen sunst,

ausrichten in eigner person,

menschlich natur mir ziehen an,

dadurch den teufel und den tot

zu schanden machen und zu spot.

es sol geschehn nach deinem willen,

wil deinen zorn und grimmen stillen.

PAX.

Ach ja, herr Christe, deinen rat

beweise du selbst mit der tat.[29]

JESUS CHRISTUS.

So war ich leb, ich nicht beger

des sünders tot, sondern vil mer,

das er von sünden abelaß

und folge mir auf rechter straß,

auch lebe mit mir ewiglich,

das ist mein will, ins vaters reich.


Allhie sollen die engel singen: allein Got in der höh sei er etc.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 24-30.
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