Scena V.

[52] Leupolt, Heinrich, Johannes, Valentinus, Günther, Zacheus.


LEUPOLT.

Pox tausent seck vol enten schend!

wie ist die welt nur so behend

mit lügen und mit falscher list!

kein glauben mer vorhanden ist.[52]

was man zusagt, das helt man nicht,

wie man bei disen Moren sicht.

die kamen her aus Morgenlant

und sagten doch nur lauter tant;

verhießen unserm könig zwar,

in zu berichten ganz und gar,

wo sie Messiam hetten funden,

das wir in auch anbeten kunden;

so ists gewesen als betrug,

das sie nur kommen seind mit fug

von hinnen und gehabt den pass.

nun seinds gezogn ein ander straß

zurück hinwider in ir land,

und nemens in für keine schand,

dem könig also vor zu liegen.

wolan, ob sie uns gleich betriegen

und sagens nicht, wo Christus sei

zu finden, wißen wirs doch frei,

das er von Bethlehem nicht weit

etwan heimlich verborgen leit;

dann unser priester sagn also,

er sol geboren werdn aldo.

was gilts, mein gsell? wir wolln in finden;

so er ist unter allen kinden,

die zwo meil seind umb Bethlehem,

so sol er nicht dem tod entgen.

er muß herhalten, sag ich dir,

damit er uns nicht mach aufrur

und unsern könig bring in not.

wir sollen alles schlagen tot,

was kinder sein von zweien jaren,

den sol kein gnade widerfaren.

HEINRICH.

Was sagstu nur? ists doch befoln,

das wir ermordn und würgen solln

die kinder all umb Bethlehem,

so in das ander jar nun gen!

zu würgen stet all mein begir.[53]

LEUPOLT.

Dir ist gleich eben als wie mir;

mein schwert hab ich recht scharf gewetzt.

HEINRICH.

So wil ich auch nicht sein der letzt;

es tut mir doch recht wol gefallen,

das wir ein mal auch schlachten sollen.


Laufen mit bloßen schwertern darvon.


JOHANNES BAPTISTA.

Nun höret mir zu, klein und groß,

und tut alle rechtschaffen buß!

komt her zu mir, euch teufen laßt,

darzu ein starken glauben faßt,

das euch dadurch vergeben werden

die sünd, darin ir lebt auf erden.

tut buße, dann das himmelreich

ist nahe kommen her zu euch.

bereitet nun demselben herrn

den weg und machet richtig gern

all seine steige, wie bericht

Jesaias und weiter spricht:

es sollen alle tiefe tal

erfüllet werden überal;

auch sollen alle berge groß

ernidrigt werden übr die maß;

darzu was krum und höckricht ist,

sol richtig werden dise frist,

und was uneben ist, sol sein

ein schlechter weg und bane fein,

und alle menschn auf diser erdn

den heiland Gottes sehen werdn.

und diser ists, von dem ich sag,

der nach mir komet etlich tag,

jedoch vor mir gewesen ist,

Gotts son, der herre Jesus Christ;

denn er war e, als ich je wart,

von dem ich predig dise fart.[54]

tut buße, die da wollen sein,

erloset von der hellen pein!

VALENTINUS mit seinem haufen.

So teufe uns in Gottes nam!

wir seind drumb kommen allesam,

das wir von sünden würden frei,

erlangten Gottes huld darbei.

JOHANNES.

Wer hat dann euch, ir ottern gzicht,

den weg geweiset, das ir möcht

entrinnen dem zukünftign zorn,

do ir doch sonst wert all verlorn?

wolan, weil irs begeren tut,

so sehet zu, nemts wol in hut,

das ir tut rechte frucht der buß,

dadurch ir werdt der sünden loß,

und nemet euch nicht für, zu sagn:

was haben wir darnach zu fragn?

wir han zum vater Abraham;

dann ich sag euch, das Got wol kan

dem Abraham aus disen steinen

erwecken kinder, groß und kleinen.

es ist die axt geleget schon

den beumen an die wurzel nun,

das welcher baum nicht bringen tut

rechtschaffen früchte, die sein gut,

bald abgehauen werden soll,

und in das feur geworfen schnell.

GÜNTHER.

So sag uns doch nun, lieber herr,

was sollen wir tun forthin mer,

dadurch wir mögen selig sein?

JOHANNES.

Solchs wil ich euch berichten fein:

wer mer an kleidern, trank und speis

hat, als er zugebrauchen weiß,[55]

der geb es dem, der nichtes hat,

so lebt er selig frü und spat.

ZACHEUS mit seinem haufen.

Ach, meister, sag uns auch zugleich,

wie erben wir das himmelreich?

JOHANNES.

Ir solt von niemand fordern mer,

als euch gesetzt hat euer herr.

LEUPOLT.

So gib uns doch auch gut bericht,

das wir verdammet werden nicht.

JOHANNES.

Ir sollet keinem tun gewalt,

laßt euch benügn an euerm solt.

so bleibet ir bei euerm ampt

auch selig, werdet nicht verdamt.

nun, welch sich wollen teufen lan,

die treten nach einander hran.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 52-56.
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