Scena III.

[67] Lucifer, Satan, Athanatus, Rapax, Happa, Jesus Christus.


LUCIFER.

Ihr herren, seid doch wol zu mut,

trinkt eins hrumb von der hellen glut!

SATAN hat ein becher vol gebranten wein, der angezündet ist.

So wil ich dir ein ganzes bringen,

darnach woln wir ein liedlein singen.

HAPPA komt gelaufen, blest und schreit.

Ein lerm! ein lerm! verwart die tür

und seht euch all gar eben für!

o mordio! o mordio!

RAPAX.

Hört alle zu! wer schreit also?

HAPPA.

Tu auf, tu auf,

das ich entlauf,

und laß mich bald hinein!

heraus ist nicht gut sein.

RAPAX macht die tür auf.

Was ist dann da? bericht michs doch.

HAPPA.

Ei, fragstu noch?

sih, das die tor verwaret seind!

es kommet unser ergster feind.[68]

SATAN.

Wir han ja keinen feind nicht mer.

wer solt uns dann angreifen hier?

HAPPA.

Von stund an tretet in die wacht!

wir müßen brauchen unser macht,

oder seind überwunden ganz.

ein jeder seh auf seine schanz.

LUCIFER.

Was hebt ir vor ein lermen an?

HAPPA.

Ach, ach, es komt derselbig man,

der uns all wird zu boden schmeißen!

ich möcht wol in die hosen scheißen,

so angst ist mir, weiß nirgend hin.

ir sagt, ir hett gewürget in,

so komt er mit der roten fan;

für im doch keiner bleiben kan.

LUCIFER.

All auf, ir schelm und bösewicht!

ists nun so tapfer ausgericht?

all auf! vermacht die tür gar fest,

ein jeder wer sich auf das best.

SATAN.

Ach leider! er wird mirs nicht schenken,

das ich in ließ ans kreuze henken.

wo sol ich aus, wo sol ich ein?

LUCIFER.

Sonst wiltu stets der beste sein,

und jetzund tustu gar verzagen?

seid all getrost, wir müßens wagen.

ATHANATUS.

Ja, vorhin war die sache gut,

jetzt mir auch heftig grausen tut;[69]

befürcht, er leßts nicht ungerochen,

das ich im hab den hals gebrochen.

ich wolt schier gar darvon entlaufen.

LUCIFER.

Wiltu so sten bei unserm haufen?

wart aus und hilfs zum ende bringen.

wer weiß, villeicht möchts uns gelingen,

das wir behielten noch das felt.

ATHANATUS.

Ach, wann es ist derselbig helt,

so werden wir nicht vil ausrichten.

er leßt sich schrecken gar mit nichten;

ich kenn in wol, ist unverzagt.

RAPAX.

Weil ir dann alle je so sagt,

so kan ich auch die leng nicht sten;

beger mein urlaub, wil weg gen.

ich merke wol, der erst ich wer,

wann er zu uns würd kommen her.

ade, mein herr, ich wil darvon.

LUCIFER.

Wann irs also wolt fangen an,

zittern und zagen all gemein,

und keiner wolt bestendig sein,

so möcht ir mich wol selbst abschrecken.

RAPAX.

Stet fest, ich wil die nas für ftecken,

so ist die tür gar wol verwart.

ich bit euch drumb, kein fleiß nicht spart.

SATAN.

Ich sag, wann ir helft allesamt,

trotz im, das er her zu uns komt!

jedoch muß euer keiner weichen.[70]

LUCIFER.

Trotz einem, der darvon wird schleichen!

Christus stößt mit der sigfanen stracks die tür auf.

RAPAX.

O we! mein nasen ist schon weg.

LUCIFER.

Ein anders vor die pforten steck.

CHRISTUS stößt zum andern mal, sprechende:

Tu auf die pfort, du fürst der hellen!

nun wil ich dir und dein gesellen

hinnemen alle macht und gwalt.

du, tot, gib her dein stachel bald.

nun wil ich deiner auch nicht schonen,

dir, wie du mir tetst, wider lonen,

mit füßen wil ich dich hie treten,

all gleubign von dein gwalt erretten.

du solt forthin nun sein ein schein

des tots bei all den christen mein;

welch an mich gleuben, das ich sei

Gotts son, die seind von dir ganz frei.

und Satan auch, du loser tropf,

dir wil ich gleichfals deinen kopf

zertreten und dir sein ein gift,

weil du als unglück hast gestift.

euch andern wil ich laßen binden

mit ketten groß, als mans mag finden,

in ewigkeit euch ganz verstoßen

mit allen euern mitgenoßen.

ir engel, tut nach meim geheiß,

bindet die schelm mit allem fleiß

mit einer ketten stark und groß,

damit sie nicht bald kommen los.

ir auserwelten, tragt kein scheuch,

komt her, ich hab erlöset euch[71]

mit meiner marter, angst und not,

an euch kein teil mer hat der tot.

weil ir gehoffet lang auf mich,

so seid ir selig ewiglich,

solt haben ewig freud und wonn;

ich bin der ware Gottes son,

des weibes samen, der euch war

im paradis verheißen zwar,

nach dem ir truget stets verlangen.

nun hab ich sünd und tot gefangen.

folgt alle nach, ich wil euch füren

zur himmelpfort, der rechten türen.


Da folgen dem herrn Christo neben Adam und Eva vil andere stumme personen nach mit weißen tüchern umbhengt und gen alle vom platz hinweg.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 67-72.
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