Scena II.

[86] Nestor, Vincentius, Satan, Rapax.


NESTOR.

Herr Vincenz, dies bona sit!

VINCENTIUS.

Got dank euch, so ists eben quit.

NESTOR.

Wo seid ir doch jetzt hin gewesen?

VINCENTIUS.

Ich habe mein horas gelesen,

darzu auch das complet gesungen.

NESTOR.

Habt ir von meinem kleinen jungen

nicht etwan neu zeitung gehort.

VINCENTIUS.

Darvon weiß ich noch gar kein wort.

was sols dann sein? bericht michs doch.

NESTOR.

Ei, gar ein teufelische sach.

ein neuer ketzer ist erstanden,

Martin Luther, in deutschen landen.

VINCENTIUS.

Was hat er dann vor eine ler?[86]

NESTOR.

Er wil uns nemen unser er,

die wir gehabt so lange zeit,

und gleuben im fast alle leut.

VINCENTIUS.

Von wem habt ir doch solchs erfaren?

NESTOR.

Nur heut, als wir versamlet waren

beim bischof im concilio,

wards meisten teil gedacht aldo.

der bischof hat vom bapst ein schreiben,

er sol den Luther gar vertreiben.

VINCENTIUS.

Warumb tut er dann nicht darzu

und leßt in haben frid und ru?

er wer noch wol ein anders wert,

das man in setzet auf den hert,

und ließ in gar zu pulver brennen.

also solt man die sect zertrennen.

NESTOR.

Solchs het der bischof auch im sin;

er aber darf nicht kommen hin,

da Luther leret, lebt und ist;

sonst er wol an den reien müst.

VINCENTIUS.

Warumb solt er dahin nicht kommen?

NESTOR.

Sein ler han sie schon angenommen

durchaus im ganzen Sachsenland.

er wil uns machen gar zu schand

und spricht, es sei nichts recht getan,

was wir in unsern kirchen han[87]

bißher geleret und gesagt.

all unsers ordens er verjagt.

es sind auch an demselben ort

die klöster alle schon zerstort.

gar heufig im das volk zufellt,

nimt von den leuten auch kein gelt

von diser seinen neuen ler.

VINCENTIUS.

Ich wolt, das er vorm teufel wer

mit seiner ler und ließ uns bleiben.

solt er uns aus die klöster treiben,

was wolten wir dann fangen an?

wir müsten letzlich bettlen gan.

NESTOR.

Ich wil euch noch wol sagen mer.

der heilig vater bapst und herr

Lutherum hat in ban getan.

VINCENTIUS.

So wird sein ler kein fortgang han?

NESTOR.

Ja, Luther hat den bapst zugleich

mit uns verdammt zum teufels reich.

VINCENTIUS.

Verdammet sol er selber sein!

all unser tun ist gut und fein.

mess singen und den psalter lesen

ist nun vil hundert jar gewesen;

dadurch vil leut seind selig worden.

Got hat gestiftet unsern orden.

den wollen wir verteidign hart

biß auf der letzten hinnefart,

trotz einem, der dawider spricht.

ich weiß, der bapst der leidets nicht.

den Luther wird er wol bald dempfen;

er kan mit allen fürsten kempfen,[88]

im müßen wol gehorsam sein

die keiser, könig allgemein;

darf keiner wider in nicht sprechen,

sonst wird er sich gewaltig rechen.

im ist gegeben manigfalt

von sanct Petro macht und gewalt,

das er mag ordnen, setzen auch

nach seinem willn den kirchen brauch.

drumb solt sich diser ketzer schemen,

das er im solchs in sin darf nemen.

es ist doch nichts, hat kein bestant.

mit im ins feur und stracks verbrant!

solt man nicht mer vigili singen,

die selmessen auch gar abbringen,

wo wolten wir bekommen gelt?

es würde nichts guts in der welt.

wir wollen alle semtlich raten,

das man den Luther möge töten

und seinen anhang gar vertreiben;

so wird wol unser lere bleiben.

der keiser ist des bapstes freund,

und sonsten vil mer fürsten seind,

die alle sten auf unser seiten

und können wider Deutschland streiten,

damit der bapst behelt sein er,

obs gleich sonst recht sei nimmermer.

RAPAX macht den sack auf.

Holl kram, holl kram, herbei, herbei!

SATAN.

Hei, schrei, das dich der teufel, schrei!

solt uns wol alle gute sachen

mit deim geschrei zu standen machen.

bei disen leuten darfstus nicht.

ir tun ist all dahin gericht,

das sie nur in die helle laufen;

gehören schon zu unserm haufen.[89]

mach zu den sack, und spar den kram,

biß das ein frischer kaufman kom.

der nichts von diser gattung weiß;

dem beut sie an mit allem fleiß.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 86-90.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon