Erster Auftritt.

[52] Valere. Johann.


VALERE kömmt lachend heraus. Ha! ha! ha! der Spaß ist nicht mit Gelde zu bezahlen.

JOHANN lacht auch. Ha! ha! ha! aber erzehlen sie mir doch – – –

VALER. Ein närrischer Weib ist unter der Sonnen nicht; Ha! ha! ha!

JOHANN. Ha! ha! ha! was ist ihnen denn begegnet?

VALER. Eine Gräfinn kan so bürgerlich seyn! Ha! ha! ha!

JOHANN. Ha! ha! ha! worüber lachen sie denn?

VALER. Der Obriste wird recht lachen; Ha! ha! ha!

JOHANN. Ha! ha! ha! aber sagen sie mir doch, Herr Fähndrich – – –

VALER zornig. Verdammter Hund! wilst[52] du das Maul halten! Bestie! habe ich dir nicht verboten, das Wort Fähndrich in diesem Hause im Munde zu nehmen? weist du nicht mehr, daß ich hier nur Valer heisse?

JOHANN. Verzeihen sie Herr Valer, vor lauter Freude über ihre Freude hatte ich ihren Befehl auf einige Minuten vergessen, und ich sehe es schon zum voraus, daß ich ihn noch öfter vergessen werde, wenn sie mir keine Merkmahle geben, bey welchen ich mich desselben erinnern kan.

VALER hebt den Stock auf. Ja; ich will dir Merkmahle geben – – –

JOHANN. So nachdrückliche verlange ich nicht. Ich will nur so viel sagen, wenn sie mir nicht durch eine hinlängliche Erklährung der Ursachen, warum sie einen schwarzen Rock angezogen haben, einen völligen Begrif davon in den Kopf setzen, daß sie in diesem Hause kein Fähndrich sind, so werde ich mir nicht angewöhnen können, das Wort Fähndrich auszulassen, da ich sie doch in andern Häusern diesen Titel nicht genug geben kan, indem ich bemerkt habe, daß den Bürgertöchtern, mit welchen sie umgehen, die ganze Seele rege wird, wenn ich den Herrn Fähndrich bey Ihnen anmelde.

VALER. So Fähndriche du Canaille – – – wenn ich hier Lärmen mache wollte – – – – komm nur nach Hause, ich will dir funfzig Prügel geben lassen.

JOHANN weinend. Damit ich sie verdiene, so will ich erst machen, daß sie hier eben so viel[53] bekommen; ich schreye hier aus vollem Halse Herr Fähndrich, wenn sie mir ihre Absichten nicht entdecken; sie werden doch vor dem Teufel den Graf nicht bestehlen wollen, daß sie die heilige Livrey angezogen haben.

VALER will den Degen ziehen. Hund! ich bohre dich auf der Stelle durch, wo du einen Laut von dir giebst.

JOHANN fält ihm zu Fusse. Allerliebster Herr Valer, haben sie doch Mitleiden mit ihrem treuen Diener, und lassen sie ihn die Neubegierde nicht tod plagen. Erzählen sie mir ihr Geheimniß, wenn sie mir diese Gefälligkeit nicht erweisen, so will ich des Teufels seyn, wenn ich ihnen in meinem Leben wieder ein hübsches Mensch verschaffe, ich will die allerhäßlichste aussuchen, oder ich will sie gar vor Liebe vergehen lassen.

VALER lacht. Narr, damit wirst du mir einen gewaltigen Possen thun. Was wilst du aber mehr wissen? ich habe dir ja schon gesagt, daß ich hier um die Rathsherrenstelle anhalte – – –

JOHANN. Ey! pfui, schämen sie sich! wer wird den Leuten so etwas weiß machen! wo wollten sie denn den Fähndrich lassen, wenn sie Rathsherr würden? sie können doch nicht zu gleicher Zeit auf die Wache ziehen, und auf dem Rathhause Gericht halten. Die Wand kan ja nicht schwarz und weiß zugleich seyn.

VALER. Du sollst es aber so gewiß glauben, daß ich um dies Amt hier anhalte, als es gewiß[54] ist, daß du noch für dein Plaudern einen Puckel voll Prügel bekommen wirst.

JOHANN. Mit ihrer handgreiflichen Gewißheit immer! stille! ich will dieselbe durch meinem blinden Glauben zu schanden machen. Ich glaube es, und ich habe es der Kammerjungfer der Gräfinn schon beygebracht, daß sie Rathsherr werden wollen.

VALER. Das ist gut. Weil du es denn gewiß glaubst, und es auch schon für eine Gewißheit ausgegeben hast, so will ich dir die wahren Umstände entdecken. Unser Obriste ist neulich mit der Gräfinn in einer Gesellschaft gewesen, und hat von den Wein ein wenig erhitzet mit ihr einen galanten Scherz treiben wollen; Sie aber hat ihn entweder aus einer Unwissenheit zu leben, oder aus einer hochmütigen Heucheley so übel angelassen, daß er fast zum allgemeinen Gelächter der Gesellschaft geworden ist. Wenn ihn eine junge und schöne Dame auf die Weise beleidiget hätte, so würde es ihn zwar sehr verdrossen haben, aber die Verachtung von einer solchen abgeblühten Schönheit hat ihn gantz unsinnig gemacht.

JOHANN. Darinn hat unser Obriste gar nicht meinen Geschmack. Als ich die vorige Woche mit ihnen betrunken nach Hause kam, war ich auch so leutselig, daß ich mit unsrer 50 jährigen Haußverwalterin zu scherzen anfing, sie war aber zu meinem Unglücke nicht so widerspänstig gegen mich als die Gräfinn gegen den Obristen gewesen ist, und da ich den Morgen darauf nüchtern[55] Muths nachdachte daß ich sie den Abend vorher geküßt hatte, so wär ich bald unsinnig über die Gefälligsten des alten Felleisens geworden. Wenn die Frauenzimmer schon gewisse Jahre haben, so sage ich ihnen, wenn ich wieder zu mir selbst komme, allemal großen Dank für den Widerstand, den sie mir erwiesen haben, als ich von Sinnen gewesen bin.

VALER. Wenn das Bezeigen der Gräfinn den Obristen nur keiner allgemeinen Spötterey ausgesetzt hätte, so würde er vielleicht nach deinen Maximen gehandelt haben, denn die sind so unvernünftig nicht. Allein dieser Umstand zwinget ihn, daß er auf Rache bedacht seyn muß, und mich hat er am tüchtigsten dazu befunden, dieselbe auszuführen.

JOHANN. Freylich! wenn er die Gräfinn will lahm, oder zu Tode geprügelt haben, so kan er keine beßre Arme dazu finden, als die Ihrigen. Es wird kein eintziger Rücken im Regimente seyn, der von ihrer Tüchtigkeit kein Zeugniß ablegen könnte.

VALER. Tölpel! es ist mir und dem Obristen wohl verbothen sich auf eine so pöbelhafte Art an einer Dame von ihrem Stande zu rächen. Allein sie aufzuziehen und in der Stadt zum Gelächter zu machen, das kann uns niemand wehren. Es ist bekannt von ihr, daß sie der Canal ist, durch welchen die Kandidaten, die sich um Gerichtsbedienungen bewerben, am glücklichsten zu ihrem Zwecke gelangen, wenn sie sich desselben klug zu[56] bedienen wissen. Ihre Schönheit hat schon seit einigen Jahren die Kraft verlohren, in den Herzen der Männer zu wircken, darum muß sie die Gewalt zu Hülfe nehmen, die ihr ihr Gemahl überläßt, jungen Leuten die Aemter für Schmeicheleyen und Liebkosungen zu verkaufen. Weil ich nun mit diesen Gaben ziemlich von der Natur versehen bin, und um soviel weniger erkannt werden kan, weil wir erst vor vierzehn Tagen von der Werbung zurück gekommen sind, so hat mich der Obriste beordert, die Rolle eine seufzenden Schulfuchses bey der Gräfinn zuspielen, und wenn ich mir das Amt durch meine Geschicklichkeit werde erschmeichelt haben, die Gräfinn durch Endeckung meines Standes zu beschämen, und du kannst leicht gedencken, daß wir hernach nicht unterlassen werden, dieser Historie Flügel anzusetzen, damit die ganze Stadt davon reden, und sich auf den Kosten der Gräfinn satt lachen kan.

JOHANN. Gut! machen sie nur erst ihre Historie fertig, wenn es hernach darauf ankömmt, sie geschwinde unter die Leute zu bringen, so will ich ihr wohl meine Beine lehnen, die können in zwey Stunden alle Weinhäuser durchlaufen. Aber haben sie es in ihrer ersten Unterredung mit der Gräfinn schon weit gebracht?

VALERE. So weit, daß sie mich auf den Trohn setzte, wenn sie eine Königinn wäre. Doch ich kan dir jetzt nichts mehr sagen; ich muß zum Obristen gehn und ihm, eh er ausfährt, Nachricht von dem Lauf unsrer Sachen bringen – – –[57] Noch eins, so bald ich vorhin die Kammerjungfer in die Augen bekam, so gerieth ich auf gewisse Muthmassungen, und es ist mir sehr viel daran gelegen zu wissen, ob ich mich irre, oder nicht. Höre, gieb dich mit ihr in ein Gespräch, und nenne gantz weitläufig und unvermerkt den Herrn von Wirbelbach in deinen Reden merke dir genau ihre Mienen dabey, und gieb mir Nachricht davon. Ich werde bald wieder hier im Hause seyn, vor allen Dingen nimm mein Geheimniß in acht.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Candidaten, oder: Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. [Braunschweig und Hamburg, 1748], S. 52-58.
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