Dreizehnter Auftritt.

[73] Herrmann. Caroline.


CAROLINE mit einem Papier in der Hand, ohne Herrmann zu sehen. Der Betrüger! nein, solcher[73] Untreu ist mein Herrmann nicht fähig. Mein Herz bürgt mir für das seine. Der Verräther ist noch lange nicht listig genug, zwey so fest verbundene Herzen zu trennen. Etwas lauter. Wie wird sich Herrmann entsetzen, wenn ich ihm die Nachricht bringen werde – – –

HERRMANN geht auf sie loß, und reißt ihr das Papier wütend aus der Hand. Ja. Verrätherin, mein Entsetzen ist so groß als mein Unglück. Allein, sie sollen der Früchte ihres schändlichen Eyfers so wenig geniessen, als sie meiner Zufriedenheit geschont haben. Er zerreißt das Papier, und wirft es auf die Erde.

CAROLINE bey seite. Himmel! ich erstaune! so ist das Billet doch nicht untergeschoben? so bin ich denn verrathen? Zum Herrmann. Meineidiger, ist das die Vergeltung meiner Zärtlichkeit? so ist mir denn der Verlust ihres Herzens gewiß? allein, Verräther, hören sie erst die gerechten Verweise – – – doch nein, ich kan mich kaum so weit herunter lassen einem treulose Vorwürfe zu machen, und wenn ich es auch thun wollte, so würden mich nur die Thränen unterbrechen, die mich der Verlust eines so schätzbaren, eines so liebgewesenen Verräthers kostet. Sie weint und will weggehen.

HERRMANN bey seite. Ach! daß mich die ungetreue noch rühret! vielleicht ist sie nicht so strafbar als ich denke! wenn sie doch unschuldig wäre! ich will sie wenigstens anhören. Holt Carolinen, die schon einige Schritte weggegangen war, wieder zurück. Wenn ich ihnen denn jemals schätzbar, wenn ich[74] ihnen lieb gewesen bin, so zeigen sie es wenigstens durch eine geringe Bemühung sich meines Herzens wieder zu bemächtigen, rechtfertigen sie sich – – –

CAROLINE. Wie? sie verdoppeln noch immer die Beweise, daß ich ihnen an einem unwürdigen meine Zärtlichkeit verschwendet habe? ich soll mir die Mühe geben, mich ihres Herzens wieder zu bemächtigen, das sie mir ohne Ursach entrissen haben? nein, so viel Stolz habe ich mir in ihnen niemals vermuthet; könnt ich ihn doch mit dem meinigen vergelten! ja; ich muß leider! leben sie wohl! Sie geht einige Schritte weg, und bleibt mitten auf den Theater stehen, und hört zu, was Herrmann mit sich redet.

HERRMANN. O Himmel! wo nehme ich Kraft her, so viele Bewegungen auszuhalten; oder warum zerreissen sie mir nicht viel lieber ein Herz, welches das allerunglückseligste ist. Da es einer Person nicht mehr zugehören kan, die meine ganze Beruhigung in ihren Händen hatte?

CAROLINE bey seite. Es scheint, als wenn ich einige Zeichen einer Reue an ihm wahrnehme! wie bereit wäre ich ihm seine Untreue zu vergeben, wenn er mich zum wenigsten nur seiner Entschuldigung würdigen wollte. Sie kömmt wieder. Wenn sie sich noch so weit herunterlassen mögen, einer Person, die sie durch die heiligsten Schwüre hundertmal ihrer Zärtlichkeit versichert haben, und nun vergessen und verachten, Rechenschaft zu geben, so gestehen sie mir wenigstens, ob sie nicht das geringste Mitleid gegen mich empfinden, da sie[75] mich verlassen wollen. Ich gönne ihnen ihr Glück, der Himmel weiß, daß mich über ihren Verlust nichts trösten kan, als die Vorstellung von den glücklichen Umständen, in welche sie die Verbindung mit der reichen Wilhelmine setzt, und daß ich nichts mehr wünsche, als bey unsrer Trennung, so unglücklich sie auch für mich ist, ihres Beyleids gewürdiget zu werden, und – – –

HERRMANN. O! welche entsetzliche Verläumdung! ich sollte sie verlassen, um bey einer andern mehr Reichthum – – – ich hätte wohl Recht zu glauben, daß meine Gesinnungen von ihrem Herzen besser gerechtfertiget würden. Allein, wie können sie den selben Recht wiederfahren lassen, wenn sie nach den ihrigen schließen müssen? ich schäme mich ihnen eine That vorzurücken, die uns beyden so wenig Ehre macht. Allein aus meiner Wut, aus den zerrissenen Stücken des Präsents, so mir der Graf durch sie machen wollen, können sie wahrnehmen, wie sehr ich solche Mittel versuche – – –

CAROLINE. Was höre ich? in welchem Wahne stehen wir alle beyde? dies ist kein Präsent vom Grafen, so zu ihren Füssen liegt, es ist ein Brief von einer reichen Wilhelmine – – –

HERRMANN. Was sagen sie? habe ich mich betragen?

CAROLINE. Lesen sie nur das Schreiben selbst, wenn es sich noch thun läst, und rechtfertigen sie sich.


Sie lesen die Stücke des zerrissenen Papiers von der Erde auf, Herrmann legt sie zusammen, und lieset es.
[76]

HERRMANN er list.

Liebster Herrmann. Sie entzücken mich durch die Nachricht, daß sie sich so wohl als meinen Vorzügen Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Mein Vermöge, mein Glück, welches ich ganz und gar mit ihnen theile, oder vielmehr worüber ich sie zum Herrn setze, kan ihre Untreu gegen Carolinen bey aller Welt rechtfertigen, ja bey Carolinen selbst, wenn sie anders so viel Liebe gegen sie hegt, als sie verdienen. Mein Vater und ich erwarten sie heut bey der Abendmahlzeit; gönnen sie das Vergnügen sie bald zu sehen ihrer getreuen Wilhelmine. – –

CAROLINE. Was sagen sie dazu?

HERRMANN. Ich kan vor Erstaunen nichts sagen. Wer hat ihnen diesen vermaledeyten Brief gegeben?

CAROLINE. Der Feind aller rechtschafnen Leute, Arnold. Er sagte, er hätte denselben auf ihrer Studierstube gefunden, und – – –

HERRMANN. Und sie haben sich vorstellen können – – –

CAROLINE. Ich habe mir gleich vorgestellet daß es ein Betrug seyn müßte. Konnte mein Herz wohl in das ihrige ein Mistrauen setzen? ich kam auch mit dem Briefe hieher, um ihnen die Fallstricke zu entdecken, die man uns legt; allein, die Wut, mit welcher sie ihn zerrissen, brachte mich auf den Argwohn, daß sie sich schuldig befänden, und ich zitterte wider meinen Willen wegen ihrer Treue.

HERRMANN wirft sich ihr zu Füssen. Wie verehrungswürdig überführen sie mich, liebste Caroline, daß sie gerechter gegen mich sind, als ich gegen sie. Ach! wodurch soll ich die Beleidigung[77] versöhnen, die ihnen mein Argwohn verursacht! der Graf schenkte mir hier die Rathsherrnstelle aufs neue, mit dem Anhange, daß ich solche zweyen Küssen zu danken hätte, die sie – – – der Himmel ersticke den Gedanken in meiner Seele! ich glaubte dem Graf, ich sahe sie mit dem Papier zu mir kommen, ich dachte es wäre die schriftliche Ausfertigung. So groß das Unrecht ist, daß ich ihnen angethan habe, so groß ist zugleich mein Glück, und so empfindlich ist es mir, da ich meinen Irrthum einsehe.

CAROLINE. Stehn sie auf, liebster Herrmann; vergessen sie unsern Argwohn, wir wollen unsre Herzen vielmehr dem Vergnügen und der Freude überlassen, welche das Glück in uns ergiesset, daß wir uns geirret haben. So sehr erst solche Irrthümer zwey so fest verbundene Seelen schmerzen, so reiche Quellen von Entzückung und Liebe werden sie, wenn sie verschwinden. Welch ein Trost für uns, daß unsre Herzen alle Verfolgungen des Grafs und seines verräterischen Vertrauten verachten können! der Verdruß seine Anschläge zernichtet zu sehen, wird den Graf gewiß antreiben ihnen fein Wort von neuen zu brechen. Doch wir wollen uns gar nicht mehr um die Rathsherrnstelle grämen. Wir wollen uns beständig lieben, und die Erhaltung eines Amtes nur als eine Nebensache betrachten. Eine günstige Gelegenheit thut hierinn öfters mehr als alle unsre Bemühungen.

HERRMANN. Sie durchbohren und entzücken[78] mein Herz. Ja, wir wollen uns beständig lieben; doch um unsrer Liebe willen, will ich noch einmal bey dem Graf so wohl als bey der Gräfinn, mein möglichstes anwenden, in einen Stand zu kommen, in welchen ich sie ohne Furcht vor Grafen und Arnolds ewig lieben kan.


Ende der Dritten Handlung.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Candidaten, oder: Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. [Braunschweig und Hamburg, 1748], S. 73-79.
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