3. Das güldene Auferstehungs ABC der zehngestalt und des Dreianfanges
9. Kühlneunmondstheil

[91] 1. 49.

Alsbald der Punct ist da, den Gottes Rath verschlos

Zu seinem Sibgericht, zum leibe seines Zorns,

So sucht der letzte Gog im Satans trug den ernst.

Di tausend Jahr sind hin nach der geheimen zahl:

Des Adams Wunder hat di Erde Christgekühlt.

Der Satan ist aus seiner kett,

Das er der Sibenzahl, wi Gog, gelüsten möcht.

Er trittet nun auf das bewohnte End,

Da Babels Bildnis sich im höchstem neugebildt:

Er wekkt si alle auf zueilen auf di breite.


2. 50.

Bald, plötzlich, unverhofft erwekket sich der punct,

Der Erd und Himmel scheidt aus ihrer Virgestalt!

Der Sibentag der sucht neu seinen ersten tag,

Bis sich die Schöpffung schid nach ihrer zwei!

So bald di letztminut di erstminut erreicht,

So ist der Anfang wider Nichts.

Ein Nichts, das Alles gab, und Alles widernimmt,

Wird gleich der blikk, der das Gericht beginnt.

Nun trifft den Satanas des Anfangs innre tif,

Di in dem Anfang sich so heimlich vor verborgen.


3. 51.

Christ Jesus kommet an in seiner virden kunfft:

Di Heilgen sind mit ihm, di längst gestanden auf,

Als Christ im leib aufstund, und nun im Geist aufsteht.

Christ kommt als Printz und Christ und Richter aller Welt,

Am achtem tausend Jahr, dem grosbeschneidungstag.

Di stühle stehn den zwölfen da,

Wi Jesus zugesagt, als er bei ihnen ging.[91]

Nun steht Christ auf am achttag voller krafft,

Nun wird der Ersttag recht zum Sabath rechter Ruh,

Weil sich der Sibentag mit seinen sechsen einet.


4. 52.

Das werde schuf di Welt; das werde endt si auch,

Als es das gutt und bös in idem ewig schid!

Es stehn zwei Welten da aus diser einen Welt:

Di Gottesallmacht scheint in beiden gleicher macht.

Di Libe und der Zorn stehn gleich zu Gottesehr.

Das Werde sigprangt in der lib,

Als seine Libeswelt so libreich sich erblikkt!

Das Werde sigt, sigprangt im Gotteszorn,

Als seine zorneswelt so grimmig sich bestrafft!

Di Lichtwelt gläntzt voll ehr; di finstre Welt voll schande.


5. 53.

Erd, Wasser, Lufft und Feur erlangen ihre ruh,

Als si entlediget von hir empfangner frucht!

Das feuer gibt hervor, was es in sich verschlang;

Es hat sehrwohl bewahrt, was es hir eingeschlukkt.

Di Lufft gibt ides Wort an seinem Ort aufs neu,

Und war der schall auch wesen selbst.

Das Wasser und di Erd thun ihre grobheit weg,

Di sichtbarlich in beider leib gehaust.

Ein ides scheidet sich ins finstre und ins licht,

Bis es was neues wird, ein guttes oder böses.


6. 54.

Fehlt wohl ein einiger, der auf der Erd gelebt?

Der in dem Mutterleib erhalten einst di Seel?

Der in dem Mutterleib vor seiner zeit erstikkt?

Geschweige, der ans licht tod oder lebend kam?

Geschweige, der vom Mensch auf was vor weis erbohrn?

Hir stehen grosse, mittel, klein!

Hir stehen di Geschöpff, di einer Menschenart,

Ob si im Feur, Lufft, Wasser, Erd erbohrn!

Sirenen, Nymfen, Zwerg, Feur-Lufft-Flutt-Erdenleut!

Si stehen alle da, di wir verlohren schätzten.


10. Kühlzehnmondstheil

[92] 7. 55.

Gutt zeucht sich gleich zum gutt, das lichte zu dem licht:

Was Gott zuloben sucht, und seinen will zuthun,

Das steht beisammen bald, es sei auch, welcher art.

Was gleich vom gutten kam, das bleibet ewig gutt,

Ob das geschöpff es schon, das solches that, verleuhrt.

Das bös ist strakks mit bösen eins:

Ein eins, das ewigst eins in seinem Eins nicht findt.

Was Gott verschmäht, und geht vom Gotteswill,

Ob es im Himmel stünd, so ist es doch verflucht:

Verflucht, weil es verlässt di ordnung seines Schöpffers.


8. 56.

Heil, segen, ewig glükk, lust, wonne, Paradis

Ist den gehorsamen im augenblikk gepaart!

Di Lämmer sind beim Lamm, dem wahrem Gottes Lamm,

Das stets erwürget war vom anbeginn der Welt!

Es war, ist, wird ihr Hirt im Lammes Hochzeitmahl.

Der fluch des fluchesfluchesfluchs

Trifft Ungehorsame zum erstem augenblikk.

Di Bökke sind beim Bokk, dem Unbokksgreul,

Der stets ein Mörder war von Anfang aus sich selbst:

Er waristwird ihr greul im Bokkesschwefelmahle.


9. 57.

Im Jesu Christo gläntzt di gröste Majestät,

Di Majestätisch blitzt aus seinem Vater vor,

Durch seinen gantzen leib vom gröst und kleinstem glid!

Der thron ist neuerbohrn, der Gottesbildnis trägt.

Der Vater der gebährt mit dem Printz Michael,

Den Sohn im Printzen Jesuel,

Das recht sein Geist ausgeht im Printzen Uriel

Zum ewigem Lichtwunderlibesspil.

Nun geht auf di Geburt dreieinigst ewigstlicht,

Di in der Ewikeit di Ewikeit gespilet.


10. 58.

Klährt sich im Vaters glantz Printz Michael so hoch,

So söhnt Printz Jesuel sich recht im Jesuslicht.

Ein ider seines throns gleicht seinem Jesu voll,[93]

Durch Jesu blutt erlöst an Jesu heilgem Kreutz,

Und widereingesätzt in seines Gottes huld.

Drum schallt so hoch das Jesuslid,

Das nun der Treiber weg, der Abgrund neu zu grund!

Drum triumfirt Printz Uriel so weit,

Weil sich der heilge Geist aus solchen Wundern naht,

Dergleichen nimals noch in Engeln aufgegangen.


11. 59.

Lichtsonnt Printz Michael mit seines Vatern werk,

Printz Jesuel kommt gleich mit seines Jesu that!

Es stehet idens Werk aus Jesu Werk im Werk:

Aus Jesu theur Verdinst zum höchstem lichtbesonnt,

Durch Jesu Unschuld selbst der Englisch Unschuld gleich.

Drum erndtet hoch di Engelwelt

Aus unserm Erdenthron, den Gottes Sohn erlöst.

Drum schimmert an Printz Urieln so licht

Das Jesuelsche Reich im allerhöchstem geist;

Durch Jesu Christi füll unendlich neubegeistert.


12. 60.

Macht hoch Printz Michaeln, das er im licht bestund!

Des Jesu blutt thuts nach, Printz Jesueln zum Sig.

Es strömt vom Jesu blutt so häuffig mancher strom,

Der um das Jesusblutt im Jesusblutte strömt!

Aus Jesu kam di zir, di wir allhir erlangt.

Drum springet Jesu bluttquell höchst

In allen Centern auf mit solcher hoheitsmacht!

Drum meeret es Printz Urieln so an,

Mit solchem heilgem licht, das kein Gesicht ersah,

Eh unser Mittelthron mit beiden einverleibet.


11. Kühleilfmondstheil

13. 61.

Nun siht der Lügnerfürst, was er vor lohn erlangt!

Was ungehorsamheit! was Narrenfreud erzeugt!

Nun sehn di Lügner sich mit ihres Vatern ehr!

Mit der vermeinten krafft! Mit ihrer list und kunst!

Der Höllundrache zischt! Di höllunhunde heuln![94]

Mein König, Jesus, ist ihr schrekk!

Di Jesusglider sind ihr unaussprechlichst Ach,

Di si so hoch, und sich so nidrig schaun!

Der Jesusrichterspruch in aller gegenwart

Ist ihnen schrekklicher, dann selbsten di verdamnis.


14. 62.

O welche schande geht bei den verfluchten auf!

Was unmacht ist di macht, di Christi saat gepresst!

Wi ists nur falscher trug? so klug? Verdammte, Phy!

War dis eur Werk und stärk? so schandbar? so voll greul?

Wird dis eur lohn vor hohn, den ihr uns zugefügt?

Geht, geht, verfluchte, zu dem fluch,

Den ihr nun lernen werdt in eurem eignem will!

Fahrt auf, fahrt auf in dem unendlich feur!

Ermesst aus euer quahl den freudenstrahl in uns!

Wir wachsen ewigst mehr, imehr ihr ewigst fallet.


15. 63.

Peint euch schon dise Pein, di nur einfächtig eins,

Wi wird ihr tausend euch, verfluchte, nicht erhöhn?

Wann tausend tausend mahl und tausend tausend zählt,

Mit millionen spilt, an millionen wächst:

So werd ihr lernen erst aus eurem leid di freud,

Di ihr so närrisch nun verschertzt!

Wann eure schmach, eur Ach geistigen über zahl,

Gedenket recht des Jesu volkes ehr!

Wi wenig ist di schand, di uns im leib geschah!

Vor der ihr ewigst euch zu solcher schand gestürtzet!


16. 64.

Qualschöpfft aus siben nun, das ihr so hoch verhöhnt!

Steigt auf mit siben, steigt, das ihr eur leid recht zweyt!

Zweyt, zweyet euch nur fort, bis ihr das ende findt!

Findt, findet ewigst mehr! Dis ist eur hochgeheim!

Ihr waret Schöpffer ja? Dis ist geschaffen recht!

Was Farben, was? Was schön gebrum?

Wi herrlichseltner Ruch? Was ewiger geschmakk?

Welch fühlen? Phy! Phy, tausend künstler kunst!

Merkt, merkt des Sibens lust, das uns aus Jesus schmükkt!

Das dem gehorsam ward zum lohn und Kron geschenket.
[95]

17. 65.

Recht triffet euch das Recht, das ihr von Gott aus zwängt,

Der euch allein zur lust an seiner brust erschuf!

Ihr tobtet gegen Gott und sein erwähltes Volk,

Das höchst ihr glauben ward am eusersten geprüfft!

Eur höchstverfluchtes Recht hub Gottes Recht selbst auf.

Was schrekket euch der kleine tropff?

Ihr müsset meere nun, von solcher art aussauffen:

Di Meere sind unendlich weit und breit!

Di Meere diser Welt sind kaum der kleinste tropff,

Wann si zusammen sind, am meer der Gottesrache.


18. 66.

Schrekk kommet vor dem schrekk, damit ihr uns geschrekkt,

Als wir an Gott und Christ ni brachen unsre treu,

Di recht der Schöpffer ja gefodert vom Geschöpff!

Gros steigt eur schrekken auf; noch grösser wird sein recht:

Sein grössern grössert sich aus seinem ewgen Nichts.

Habt, Teufel, habt eur schrekken bild,

Habt, Duppelteufel, habt an ihrem schrekken schrekk!

Erschrekklich war eur schrekklich missethun.

Erschrekklich ist di straff, di euch mit Recht erschrekkt:

Doch weit erschrekklicher wird stets eur straff aufsteigen.


12. Kühlzwölfmondstheil

19. 67.

Tod gehet aus vom Tod, der in dem Abgrund lag,

Als Jesus Christus strafft nun seinen Tod mit Tod.

Tod tödtet gantz das Bild vom Engel oder Mensch;

Verdracht, verbokkt, verwürmt nach eigner Todesart:

Di in dem Abgrund war bis dar versigelt tif.

Christ zündet an den Schwefelpfuhl,

Der noch unangezündt; den Teufeln nicht erkand;

Nun steigt sein rauch durch sich in sich aus sich.

Er kerkert Lucifern auf ni versehne weis:

Es ist der Schwefelpfuhl, eh dessen uhr, geheimnis.


20. 68.

Verflucht ist ewigst gleich der hochverfluchte hauf,

So strakks Printz Jesus Christ zum Abschid si verflucht.

Di Lichtwelt scheidet sich: di höllwelt ist hinweg.[96]

Der Punct beginnet gleich sein ewig Regiment,

Das Gottes bitter fluch in seinem fluche führt.

Di siben höllgestalten sind

Ein ewigst höllisch werd nach ides selbstverdinst:

Nach ides pfuhl in dem geneuntem pfuhl.

Nun geht recht umgekehrt des Teufels umkehr auf!

Welch höllisches gestürm stat sanfftem Engelsausen?


21. 69.

Weh fänget an das weh aus seinem sibenweh

In dem geneuntem weh, das Christus heimlichst meldt!

Weh Reichen an dem Geist! weh fröhlichen in sünd!

Weh zornigen auf Erd! Weh unrechtfertigen!

Weh unbarmhertzigen! Weh falschen in dem Hertz!

Weh krigenden Bluttdürstigen!

Weh den verfolgern Christs! weh den Christkreutzigern!

Ihr werdet recht der Duppelteufel Neun!

Eur zehn und Antichrist der Duppellucifer,

Der sich vor Christ ausgab und fuhr zur höll lebendig.


22. 70.

Xweht den Lucifer mit seinem Teufelneun!

Xweht den Duppeldrach mit seinem Neungewürm!

Si haben recht, was beide recht begehrt!

Der eine, eh di welt! der ander in der welt!

Der stis von Engeln sich! Der von Kühlmännern aus!

Selbst Gottes Sohn war beider dorn.

Das weh bekerkert si zu ihrer beiden weh;

Zum wehwehweh, das in den pfuhl gehöhrt.

Weh Teufeln, durch dis weh! Weh Duppelteufeln, weh!

Di beide Lucifern sind euer wehgeheimnis.


23. 71.

Y wird nun gantz das Bild, das beide Drachen legt

In ihrem Abgrundsweh zu der fusschemmelstät.

Si wollen hin und her, und sind in einem pfuhl!

Imehr si steigen auf, i tiffer ist ihr fall.

Si zweyen ewigst sich, und sind in einem grund!

Si müssen Jesu fustrit sein

In mitten ihrer quahl, i minder si begehrn:

Den si verfolgt, dem ligen si zu fus.[97]

Zu fus in ider stät an seinem heilgem thron,

Und sind mit einer klufft doch gantz von ihm geschiden.


24. 72.

Zum abschid im gericht entstund gleich dise klufft,

Di den fusschemmel schid vom Jesu thronenthum.

Derselbe Punct beginnt das grosse Jesusthum!

Den Jesuelschen sitz! Der Engel Mittelthron!

Er sätzte seine Neun auf ewigst in ihr Neun.

O seelge stund, der stunden end!

Mein hertze schmeltzt in lust, wann ich an dich gedenk.

Herr Jesu Christ! Dein Knechtchen ruffet ernst!

Komm selber mir zu hülf zu deinem Kühlmannsthum,

Das ich reich übergeb dein Reich im zeiten


ZETTE.


Und himit ist des Beschaulich-figurlichen

KÜHLPSALTERS

ENDE.


Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 91-98.
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