73. Die Erbauung des Klosters Lehnin.
Beschreibung des Klosters Lehnin und seiner Merkwürdigkeiten. Lehnin, ohne Jahr.

[72] Der Markgraf Otto der Erste von Brandenburg jagte einst in Gesellschaft seiner Edelleute in der Gegend, wo jetzt das Kloster Lehnin steht; von der Jagd ermüdet, legte er sich unter eine Eiche um auszuruhen. Hier schlief er ein und es träumte ihm, daß ein Hirsch auf ihn eindrang und mit dem Geweih ihn aufspießen wollte;[72] er wehrte sich tapfer mit seinem Jagdspieß gegen diesen Feind, konnte ihm aber nichts anhaben, vielmehr drang der Hirsch immer hitziger gegen ihn an. In dieser Gefahr rief der Markgraf Gott um Beistand an, und kaum war das geschehen, da verschwand der Hirsch und er erwachte. Er erzählte hierauf seinen Begleitern diesen Traum, und da er schon längst den Vorsatz gefaßt hatte, aus Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die ihn bisher in Gefahren gnädig beschützt hatte, und um sich der göttlichen Gnade noch mehr zu versichern, ein Kloster zu stiften, auch seine Begleiter den Traum so auslegten, daß sie meinten, der Hirsch, der erst bei Anrufung des göttlichen Namens von ihm gewichen, sei niemand als der Teufel selber gewesen, rief er aus: »An diesem Orte will ich eine Feste bauen, aus welcher die höllischen Feinde durch die Stimmen heiliger Männer vertrieben werden sollen, und in welcher ich den jüng-Tag ruhig erwarten will!« Darauf legte er auch sogleich Hand ans Werk, ließ aus dem Kloster Sittchenbach oder Sevekenbecke (wie es Pulcava nennt) im Mansfeldischen Cisterzienser-Mönche kommen, und baute das Kloster, das er wegen der noch dem Christenthum sehr abgeneigten slavischen Umwohner mit Befestigungen versah, von denen noch Spuren vorhanden sind. Weil aber ein Hirsch den Anlaß zur Erbauung des Klosters gegeben hatte, und dieser in der alten slavischen Sprache den Namen Lanie führte, so nannte er dasselbe Lehnin. – In der Kirche zeigt man noch bis auf den heutigen Tag den Stumpf der Eiche, unter welcher der Markgraf den[73] Traum gehabt, und hat ihn zum ewigen Andenken an den Stufen vor dem Altar eingemauert.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 72-74.
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