87. Der Tempel der Morgenröthe zu Jüterbogk.
Brandt: Kurze Geschichte der Kreisstadt Jüterbogk. Jüterbogk 1840. S. 2. 3.
Mündlich.

[86] In der ältesten Zeit wohnten zu Jüterbogk Wenden, die noch keine Christen waren und allerhand Götzen anbeteten, namentlich aber hatten sie auf einer, wie es scheint, künstlichen Anhöhe in der Vorstadt Neumarkt einen Tempel, in welchem sie die Göttin der Morgenröthe anbeteten; er soll zwischen der jetzigen Schmiede und der Kirche gestanden haben, und noch gar nicht lange verschwunden sein, denn der Diakonus Hannemann beschreibt[86] ihn in seiner im J. 1607 herausgegebenen Jubelschrift also: »Von einer solchen heidnischen Entstehung der Stadt hat auch Anzeigung gegeben das uralte Templein, welches ungefähr nun vor vierzig und etlichen Jahren ist eingerissen worden, darinnen der heidnische Götzendienst der wendischen Morgengöttin soll sein geleistet worden. Dies Templein, welches auf dem Neumarkt bei dem steinernen Kreuz gestanden, ist in der Länge, Breite und Höhe bis an das Dach recht viereckigt von Mauersteinen aufgeführt gewesen, hat oben ein Kreuzgewölbe und darüber ein viereckigt zugespitztes Dach gehabt. Die Thür oder Eingang von abendwärts ist niedrig gewesen, also daß man im Eingehen sich etwas bücken müssen. Es hat auch keine Fenster gehabt, sondern nur ein rundes Loch, mit einem starken eisernen Gitter verwahrt, gegen Morgen, und zwar genau gegen Sonnenaufgang zur Nachtgleiche, so groß, als der Boden von einer Tonne, daß das Licht hat hineingehn können. Also hab ichs von mehreren Personen, die noch am Leben sind, beschreiben hören.«

Frühzeitig schon hat man ein Kreuz aus Granit, das jetzt nur noch etwa anderthalb Fuß aus der Erde hervorragt, ehemals aber mehrere Ellen Länge gehabt haben soll, neben diesem Tempel aufgerichtet, und es steht jetzt noch dicht vor dem Hause des Schmieds. Als man es von da zu der Zeit des Großvaters des jetzigen Schmiedes, weil es abgebrochen, oder wie Andere sagen, von einem weißen Bullen umgerannt war, weggenommen, da hat sich des Nachts ein fürchterliches[87] Lärmen und Poltern hören lassen, und ein weißer Hund hat unausgesetzt an der Stelle gelegen, wo das Kreuz gestanden, und ist auch nicht eher gewichen, als bis man dasselbe wieder an die alte Stelle gebracht hat.

Zur linken Seite der Schmiede liegt auch eine kleine runde Anhöhe, auf der man in neuern Zeiten einen Kreis von Linden, und mitten hinein einen eben solchen Baum gepflanzt hat; diese kleine Höhe heißt der Tanzberg und hat, wie man sagt, davon ihren Namen, daß die alten Wenden hier ihre heidnischen Tänze gehalten haben.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 86-88.
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