33. Das Maitagshorn bei Rönneby.

Mündlich aus Swinemünde.

[26] In der Nähe von Rönneby lebte ein Gutsbesitzer, dem die Hexen in der Walpurgisnacht seine Felder und Gehöfte dermaßen verwüsteten, daß endlich ein getreuer Knecht beschloß, diesem Unfug ein Ende zu machen. Zu diesem Zweck ritt er in der Mainacht an den Ort, wo sie sich zu versammeln pflegten, und fand sie dort um einen großen Marmorstein, der auf vier goldenen Säulen ruhte, versammelt, und auf dem Steine lag ein wundersam[26] geformtes goldenes Horn. Die Hexen ließen sich Speis' und Trank schmecken und boten ihm auch davon an, allein er fand dort einen seiner Mitknechte, der ihn warnte, er solle nichts trinken, denn man wolle ihn vergiften. Darum schlug er das dargebotene Getränk aus, griff schnell nach dem Horn und sprengte im schnellsten Galopp dem Gehöfte seines Herrn zu, der alle Thüren und Thore hatte öffnen laßen, um allen Aufenthalt zu vermeiden, und wie gewaltig die Hexen auch hinter ihm herjagten, sie konnten ihn doch nicht mehr einholen. Anderen Tages nun, als er seinem Herrn das Horn gebracht hatte, ließ sich ein fein gekleideter Herr bei diesem melden, und bat ihn, er möge ihm das Horn zurückgeben, wogegen er ihm versprach, seine Besitzungen mit einer sieben Fuß hohen Mauer zu umgeben; im Falle er sich aber weigere, drohte er ihm, daß sein Gehöfte drei Mal abbrennen solle, und das gerade, wenn er sich am reichsten dünke. Daranf ging er fort und gewährte dem Edelmann drei Tage Bedenkzeit; dieser aber gab das Horn nicht zurück. Kaum jedoch hatte er die nächste Aernte unter Dach gebracht, so stand sein Gehöft in Flammen, und so ging es ihm zum zweiten und zum dritten Male, so daß er zuletzt gänzlich verarmte. Der König aber, zu dem das Gerücht davon drang, beschenkte ihn so reich, daß er sich neu anbauen konnte, und nun schickte man das Horn überall umher, um zu erkunden, woher es stamme, ja sogar bis nach Constantinopel ging es, ob es vielleicht den Türken gehöre, aber Niemand konnte herausbringen, wem es gehöre; wo es sich aber jetzt befinde, wußte der Erzähler, der ein Schwede, aber in Swinemünde ansäßig war, auch nicht.

Quelle:
Adalbert Kuhn / W. Schwartz: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Leipzig 1848, S. 26-27.
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