109. Die alten Heiden.

Ein alter Mann in Steinfurt erzählt:

[106] In alter Zeit haben hier herum viel Heiden gewohnt; von denen hat man immer noch erzählt, daß sie die Alten, welche über 60 Jahre zählten, todt gemacht und in viele kleine Stücke gehackt, diese in große Töpfe gethan und ein Lämpchen hineingesetzt. So haben sie sie dann in die Erde gegraben, wo man solche Töpfe noch heutzutage häufig ausgräbt.


Vgl. Norddeutsche Sagen, Nr. 74, mit der Anmerkung; Heiden als Bezeichnung der Zwerge auch bei Schöppner, Nr. 43. Pauli Diac. excerpt. s.v. depontani: depontani senes appellabantur, qui sexagenarii de ponte dejiciebantur, wozu man die übrigen Zeugnisse in der Müller'schen Ausgabe vergleiche. Buttmann, Schol. ad Odyss. Y. 302; Müller, Dorer, I, 281. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, S. 486 fg.; Wolf, Heßische Sagen, Nr. 232, und R. Köhler in Wolf, Zeitschrift, II, 112[106] Als unter König Frey einst großer Mangel auszubrechen drohte, wurde beschloßen, sämmtliche alte, kränkliche, schwächliche und gebrechliche Leute zu tödten und dem Odhin zu opfern; Afzelius, Volkssagen, I, 33. Die sich daran anschließende Erzählung von Disa, die beßern Rath wußte, kehrt bei uns als Märchen wieder; Zingerle, I, Nr. 37; Pröhle, Märchen für die Jugend, Nr. 49; auch in Wuk's Serbischen Märchen, Nr. 25, findet sie sich. – Bei den Mongolen lautet ein Sprichwort: »Glücklich der Greis, der seinen Urenkel sieht.« Diejenigen, die das siebzigste Jahr überschritten haben, verlieren das Recht, sich beim Antritt des neuen Jahres zu umarmen, und noch im vorigen Jahrhundert war es Sitte, Greise lebendig zu begraben. Schiefner, Mél Asiat., II, 659. Andere zahlreiche Zeugnisse dieser Sitte bei verschiedenen Völkern sehe man bei Liebrecht zu Gervasius Tilber., 8, 84 fg. nach.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 1, Leipzig 1859, S. 106-107.
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