148c. Die Pest als Fillerte in der Linde.

[141] In Pestzeiten ist einmal Iserlohn bis auf sieben Jünglinge ausgestorben; die haben sieben Linden auf dem untersten Kirchhofe gepflanzt, von welchen einige noch stehen. Wenn die letzte gefallen ist, soll die Pest wieder erscheinen, denn sie sitzt als Fillerte in diejenige eingekeilt, welche zuletzt abgehen wird.


Auch zu Conitz wurde die Pest in das Loch einer Linde eingekeilt; Grimm, Mythologie, S. 1135; Temme, Preußische Sagen, Nr. 234; vgl. noch Rochholz zu I, Nr. 53, der auch an Livius (VII, 3) erinnert: »Repetitum ex seniorum memoria dicitur, pestilentiam quondam clavo ab dictatore fixo sedatam. Ea religione adductus senatus dictatorem clavi figendi causa dici jussit.« Daß auch bei andern Krankheiten ein solches Verfahren beobachtet wurde, geht aus der interessanten Nachricht des Livius (VIII, 18) über einen römischen Hexenproceß hervor, in welchem mehr als 170 vornehme Frauen verurtheilt wurden, weil sie beschuldigt waren, ihre Männer vergiftet zu haben; daß dies auf zauberische Weise geschehen sein sollte, zeigt sich in der ganzen Stelle, namentlich auch in den Worten »secuti indicem et coquentes quaedam medicamenta et recondita alia invenerunt«. Die Sache wurde mehr als Wahnsinn denn als Verbrechen angesehen, »prodigii ea res loco habita, captisque magis mentibus,[141] quam consceleratis, similis visa«, und schließlich deshalb auch hier ein Dictator clavi figendi causa ernannt. Auch von der Einkeilung des Fiebers in einen Weidenbaum berichtet Panzer, II, 302. Zu der Pest als Fillerte, Schmetterling, vgl. noch Grimm, Monatsberichte der berliner Akademie, Februar 1851, S. 102; Woeste, Volksüberlieferungen, S. 44; derselbe in Wolf, Zeitschrift, II, 83. Pest als weißer Vogel, Schöppner, III, Nr. 962.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 1, Leipzig 1859, S. 141-142.
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