228. Die weißen Junfern zu Hachen.

Mündlich.

Ein Mann aus Hagen erzählte:

[202] Auf dem alten verfallenen Schloße zu Hachen an der Röhr sieht man zwei weiße Junfern, die kommen in jeder Nacht zwischen 12 und 1 Uhr hinab zum Bache und schöpfen Waßer, worauf sie wieder zum Berge hinaufsteigen und dann verschwinden.


Vgl. die waßerschöpfende weiße Frau zu Hunnesrück bei Schambach u. Müller, Nr. 109, 3.; sie trägt nach einem andern Bericht zwei silberne Eimer, wie die des Ebersteins goldene; ebendas., Nr. 109, 2., 111, 112, 115, 131, 260, 2. 3.; die weiße Frau auf dem Schloßberg zu Wolfartsweiler sieht man einen Kübel voll Waßer auf den Berg tragen, an dem zwei Goldreifen sind; Baader, Nr. 220; eine Alte mit einem Krüglein bei Schöppner, Nr. 225; eine Jungfrau, die mit einem goldenen Eimer Wasser schöpft; Temme, Preußische Sagen, Nr. 267; eine Frau in schneeweißen Gewändern holt im silbernen Handkeßel Waßer vom Kuhrüti-Brünnle; Rochholz, I, Nr. 120; beim Bärenbrunnen pflegt ein weiß gekleidetes Mädchen Waßer zu holen; Rochholz, I, Nr. 128, 8.; die alte Köchin wandelt mit einem kleinen Milchkeßel; ebendas., Nr. 128, 10. Auch Frau Holle trägt zwischen 11 und 12 Uhr nachts Waßer in ein Faß ohne Boden; Pröhle, Oberharzsagen, S. 155; als schwarze Frau mit zwei Ei mern ohne Boden erscheint sie ebendas., S. 135. Waßer holt auch das Mädchen in dem Raubnest der Schulenburgs; Norddeutsche Sagen, Nr. 144; wo auch schon Tarpeja verglichen ist. Daran reihen sich die in Sieben schöpfenden Danaiden (die sich auch als Brunnengräberinnen, indem der Brunnen ein Bild der Wolke ist, vgl. zu 274, deutlich als Waßergöttinnen kennzeichnen, s. die Stellen bei Preller, Mythologie, II, 34), sowie die in Wolken und in Sieben fahrenden Hexen (oben zu Nr. 22); die finnische Göttin Uutar oder Terhenetär sendet alle Arten von feinern Dünsten durch ein Sieb auf die Erde; Castrén, Finn. Mythologie von Schiefner, S. 98; vgl. auch Platen's Gedichte (1848), I, 59:[203] »Peruanisches Lied« (in etwas anderer Faßung in Herder's Stimmen der Völker, II, 225):


Du himmlische Jungfrau, du,

Du tränkst das dürre Peru,

Du labst mit dem ehernen Krug in der Hand

Das lechzende Land;

Allein dein Bruder, minder gut,

Der schlägt an dein Gefäß in Wuth,

Und durch den Himmel dringt der Klang

Und die Funken sprühen die Welt entlang.


Bei Sommer (Sagen, Nr. 10) wird der Bann über eine verstorbene Frau, die umgeht, ausgesprochen, daß sie einen Teich mit einem Siebe ausschöpfen solle. – Diese in goldenen oder silbernen Eimern Waßer schöpfende Frau ist die Wolkengöttin, die aus ihnen ihren Segen ergießt; gerade wie Zauberer und Hexen sich der Wannen, Krüge und Töpfe bedienen, um Hagel und Schauer dar aus hervorzuschütten; vgl. Grimm, Mythologie, S. 1040 fg.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 1, Leipzig 1859, S. 202-204.
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