350. Der Tanzteich.

Mündlich.

[310] Bei Niedersachswerfen liegt eine steile Felswand und darunter ein kleiner Teich, den nennt man den Tanzteich; früher ist er viel größer gewesen und man erzählt, daß hier eine Schenke gestanden habe, in der die Leute eines Sonntags getanzt haben, und sich selbst nicht haben darin stören laßen, als ein schweres Gewitter dahergezogen ist; ja einer ist sogar in seiner Gottlosigkeit so weit gegangen, daß er gerufen hat: »Hört einmal, wie der Herrgott da oben mit seinen Bierfäßern rollt!« In demselben Augenblick aber ist ein furchtbarer Blitzstrahl vom Himmel gefahren und die Schenke sammt allen die darin gewesen sind ist in die Tiefe gefahren und aus dem so entstandenen Schlunde ist ein schwarzes Wasser in die Höhe gequollen, welches jetzt den Tanzteich bildet.

Vor mehreren Jahren hat sich einmal das Gerücht verbreitet, daß sich ein großes Ungethüm auf dem Tanzteich habe sehen laßen, sodaß keiner mehr recht hat wagen wollen, dort entlang zu gehen; da hat man endlich einen vermocht, in das Waßer hineinzuspringen und[310] alles genau zu untersuchen; der hat gesagt, es sei kein Ungethüm im Wasser, sondern was man gesehen habe, sei ein gewaltig großer Fisch, der Moos auf seinem Rücken trage; andere aber sagen, es sei weder Fisch noch Ungethüm, sondern nur ein großer Klumpen Froschlaich gewesen, der im Teiche umhergeschwommen.


Dieselbe Sage bei Harrys, II, Nr. 35, und Pröhle, Oberharzsagen, S. 233; vgl. Panzer, Beiträge, II, Nr. 450, S. 245; Meier, Schwäbische Sagen, Nr. 81. Aehnlich Stöber, Elsäßische Sagen, Nr. 27. Zu dem Ungethüm vgl. unten Nr. 382. Über die Entstehung solcher Teiche durch niederfahrenden Blitz vgl. die Anm. zu Nr. 348.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 1, Leipzig 1859, S. 310-311.
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