414. Zwerge schenken Kuchen.

[368] Hart am Görnesee liegt eine ziemlich steile Anhöhe, aus welcher ein kleiner Spring zu dem See hinabfließt; hier hat mancher, der das gekonnt hat, die Unterirdischen gesehen, denn der Weg nach Netzen führt zwischen See und Berg dahin. Einmal ist auch einer hier entlang gefahren, der hat gesehen, wie die Unterirdischen gerade beim Backen waren; da hat er ihnen zugerufen, sie sollten ihm auch etwas davon geben, und ist weiter gefahren. Abends als er von Brandenburg zurück und wieder an dieselbe Stelle kam, hat er von ungefähr umgeblickt, da hat ein schöner Kuchen hinten auf dem Wagen gelegen, den hatten ihm die Unterirdischen geschenkt.


Vgl. oben Nr. 139 mit der Anm.; Panzer, Beiträge, II, 202, Nr. 352 c; Meier, Schwäbische Sagen, Nr. 82; Baader,[368] Nr. 231, 249; Rochholz, I, 336. Fast regelmäßig kehrt der Zug wieder, daß der Betreffende den Kuchen erst bei der Rückkehr zu der Stelle, wo er den Wunsch ausgesprochen hat, findet. Ein Bauer, der in die Höhle der Zwerge geräth, wird dort mit Rahmwähen, Butterschnitten und Kuchen bewirthet, Rochholz, I, Nr. 191. Die Zwerge bei Leuggern, welche bei der Arbeit helfen, bringen schöngebackene Kuchen mit, ebend., I, Nr. 193. Den Grund dieser Geschenke erklärt die Sage bei Rochholz, I, Nr. 194: »So oft ein Bauer sein Land umpflügte, dem die Zwerge vorher in seine reifen Aehren gegangen waren, kamen sie zu ihm auf den Acker und legten ihm dankbarlich ein feines Kuchenbackwerk auf das Höchli seines Pflugs.« Noch andere Kuchen schenkende Zwerge: Rochholz, I, Nr. 195, 225, 227. Das Tischchen deck dich unserer Märchen ist doch wol zunächst aus diesen geschenkten Kuchen der Zwerge hervorgegangen; es erscheint ganz deutlich bei den Zwergen in mehreren Sagen bei Müllenhoff, Nr. 390, 391, 590, 599; in andern Sagen ist nur schlechtweg von gefundenem Mittagessen nebst Geld die Rede, Norddeutsche Sagen, Nr. 44, 290, 2., wie auch 288, 3., wo der Stier auch den Unterirdischen angehört. Bei Rochholz (Nr. 194) geben die Zwerge zu dem Kuchen auch Most. Dagegen will Wolf (Beiträge, I, 18 fg.) das Tischchen deck dich auf Wuotan beziehen. Doch ist vielleicht von vornherein ein Unterschied vorhanden gewesen zwischen Königen und Herren einerseits und Bauern andererseits; jene speiste vielleicht nur Wuotan, diese Donar oder sein Zwergenvolk; darauf scheint auch der Unterschied zwischen den mit Gästen besetzten Tafeln (vgl. oben Nr. 217), die sich dem Walhallamahl vergleichen, und dem nur mit Speisen besetzten Tisch der Zwerge, der gut zum stillen Volk paßt, zu deuten. – Auch von weißen (?) Jungfrauen findet sich die Sage, welche einen Pflüger bitten, seine Arbeit einzustellen, damit ihnen der Sand nicht in den Teig falle; als er ihren Wunsch erfüllt, liegt ein Kuchen auf seinem Pfluge; Lyncker, Nr. 139.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 1, Leipzig 1859, S. 368-369.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen
Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche: aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen.