163.

[157] Einmal ist ein Schanholleken eines Abends zu einem Schuster in der Nähe von Hespicke gekommen, der bereits Leder für die Arbeit des folgenden Tags zurecht gelegt hatte; wie er früh Morgens aufsteht, sind die Schuhe fertig; das hat ihm gefallen, und er hat deshalb am zweiten Tage wieder Leder hingelegt und am folgenden Morgen wieder sein Paar Schuhe gefunden; ebenso ist's auch am dritten Tage gewesen, und da hat er gedacht, weil das Schanholleken ein so zerlumptes Kleid angehabt, müße er sich dankbar beweisen und hat ihm ein neues hingelegt. Als es sich aber abends hat[157] an die Arbeit setzen wollen und das Kleid gefunden, hat es sich dasselbe sogleich angezogen und lustig gerufen:


»Ich bin ein Bürschchen hübsch und fein,

Ich brauche nicht mehr Schuster zu sein.«


Ist darauf hinausgesprungen und nie wiedergekommen.


Vgl. oben Nr. 155, 161 und 164; Woeste in der Germania, IX, 290; Grimm, Kindermärchen, Nr. 39, 1.; Schambach u. Müller, Niedersächsische Sagen, Nr. 152, 4.; Lyncker, Heßische Sagen, Nr. 85; Meier, Schwäbische Sagen, Nr. 69, 1., 71, 74, 78, 5.; Vonbun, S. 5; Baa der, Badische Sagen, Nr. 99; Temme, Pommersche Sagen, Nr. 218; Pröhle, Unterharzsagen, Nr. 30, wo statt des Kleides ein Paar Schuhe oder Stiefel eintreten; durch Beschaffung eines neuen Kleides entledigt man sich auch des Kobolds; Pröhle, Unterharzsagen, Nr. 296, 379; so verschwinden auch die barfüßigen Berggeister, nachdem ihnen rothe Schuhe hingesetzt sind; Wolf, Zeitschrift, I, 267. So ruft der Sennenzwerg, nachdem er seinen neuen Anzug im Spiegel beschaut: »Nun mag ich nicht mehr Senn sein«, und ein anderer: »Und ein solcher Mann soll hirten gehen!« Rochholz, I, 201. Das zerlumpte und geflickte Kleid der Zwerge und Kobolde kehrt häufig wieder und scheint wesentlich mit der Vorstellung von ihnen zusammenzuhangen, schon bei Gervasius von Tilbery (herausgegeben von Liebrecht), S. 29, heißt es: »Panniculis consertis induuntur.« Die Pixies in Devonshire erscheinen als ein Bündel Lumpen; auch sie verschwinden, wenn man ihnen neue Kleider hinlegt, mit den Worten: »Now the Pixies' work is done, we take our clothes and off we run.« Athenaeum, Oct. 1846, S. 1092, c. Umgekehrt bleibt der sonst dienstfertige Kobold Beckli aus, sobald er nicht mehr zu Neujahr sein neues Zwillichkleid erhält; Rochholz, I, Nr. 200. Ein Zwerg, der einem flandrischen Müller in der Mühle hilft, erhält ein Kleid und zeigt sich fortan nur in demselben; Grandgagnage, S. 10. – Die Verfertigung von Schuhen durch Zwerge findet sich auch in den Irischen Elfenmärchen, und mit Recht bezieht Grimm dieselbe auf alte Metallschuhe, weshalb auch der Schuhmacher altn. skosmidr, Schuhschmied, heiße; Elfenmärchen, LXXXVIII.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 1, Leipzig 1859, S. 157-158.
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