198. Bienenzucht.

[64] Die Biene heißt gewöhnlich ime (eïme), aber auch bïe und bigge, der Weisel bimoder (beïmeåur), seltener wiiser, die Drohne heißt duårte, duårtke, bröttsche, bröttschime, brautbigge (von bröttschen, sonst schmoren, hier brüten). Den ganzen[64] Schwarm nennt man imen (eïmen) m., den ausziehenden låt, m., das Schwärmen wird prägnant durch låten (de imen låtet) ausgedrückt; låthuål oder tühluåk ist das Flugloch, biker, biken (beïker, beïken) der Korb, imenhütte die Bienenhütte, råte und råtel die Wabe, imenbreåut die wachsende Wabe und das Ueberbleibsel beim Honigpressen, imenfriäter der Bienenwolf, imenkuegel die Bienenmütze.

Die Bienen haben ihre Sprache und verstehen den Menschen; wenn sie schwärmen wollen, ruft's im Biker: »Tüh, tüh, tüh! futt, futt, futt!« worin ja jeder gleich unser Deutsch erkennen muß.

Sind sie faul gewesen, dann tritt im nächsten Frühjahr der Bienenvater vor die Hütte und macht ihnen ernstliche Vorhaltungen, welche auch wirksam zu sein pflegen. Hier steht das Spell (leider nur dem Inhalte nach):

»Hœrt måll it eïmen, it sitt te jår recht fiul wiäst, dat maut sik düen suemer met ink biätern. Ick hewwe ink 'n guet hius giewen, un it wietet wuål, dat minne kinner huånich briuket un de kiärken wass. Niu eïmen, daut inke schüllichkait.« (Aus Deilinghofen bei Iserlohn.)

Wenn ein Imen gestohlen wird, so stirbt er.

Obstbäume, Wermuth und Bienenstöcke ertragen kein Unrecht.


»Imen, flass un fiärväih

daut der armen säile wäi.«


Wenn der Hausherr stirbt, wird alles geweckt, namentlich die Bienen mit den Worten:


»Ime, dinn hær es dout,

du sass hewwen kaine nout«

(aus Valbert) –

oder:
[65]

»Imen, waket op! Inke hær es dout.«

(Vom Bollwerk im Volmethal.)


Vgl. oben Gebräuche, Nr. 127, 128, und unten Nr. 199; Woeste, Volksüberlief., S. 53; Wolf, Beiträge, I, 248, Nr. 569. Auch in England herrscht der Gebrauch in weiter Ausdehnung, man umwindet sogar die Bienenkörbe mit Krepp; Athenaeum, Oct. 1846, S. 1018 a.


Damit sich der Schwarm an einen gelegenen Ort setze, faßt man einen Strauch oder Baum an, wohin man die Bienen eben haben will und spricht:


»Bimour, sette diek,

tüh van düesem plattse nitt (man rüttelt den Strauch oder Baum)

Ick giäwe di hëus un platts

dëu sass driän (tragen) huånich un wass.« Im Namen u.s.w.


Sobald dies dreimal gesprochen ist, zieht der Schwarm an den bezeichneten Ort. (Valbert.)


Vgl. Panzer, Beiträge, II, 173, Nr. 288; Woeste, Volksüberlieferungen, S. 53, wo auch noch folgender Bienensegen bei Hochzeiten mitgetheilt wird: »Am Hochzeitstage müßen die den Neuvermählten gehörenden Imen angeklopft werden, mit den Worten:


Imen in, imen ut –

hir is de junge brut!

Imen üm, imen an –

hir is de junge mann!

Imekes verlått se nitt,

wann se nu måll kinner kritt.«


Lansens theilt folgenden Bienensegen aus Flandern mit:


Om de biën te buiken:

O koning der biën daelt hier in't gras

om te verëeren

het altaer des heeren

met zoeten honing en was.


Mannhardt, Zeitschrift, III, 165. Dieser Spruch hat Aehnlichkeit mit dem unter Nr. 592 mitgetheilten; man vgl. zu demselben[66] Grimm, Mythologie, S. 1190, und die Ausführungen von Wolf in Haupt's Zeitschrift, VII, 533.


Räthsel, Sprichwörter und Redensarten beziehen sich auf die Bienenzucht, z.B.:


»Ik såch en jüfferken oppem beåume,

dat hadd' en hüttken, dat was scheåune (schön);

en rüiterken hiär geriën kwam,

dat frågede: bat was det hüttkes nam?

hüttkes name was mei vergiäten,

draimåll sacht un noch nitt wiäten« (was = wass).

(Iserlohn.)


»Henger mines vatters hëuse

då is en drëithëus (drëit = Koth)

då ietet alle försten un grawen ëut.«

(Bienenhütte, Kanstein.)


»Geschieten, gekotzt un wuåt iutem år« – Ei, Honig, Brot.

(Hemer.)


»Geschieten, gespuggen un'n äiwiss

draff me brengen oppen häirendiss« – Ei, Honig.

(Iserlohn.)


»Åh, dä sittet eåuk im eïmenbeïker un kuiërt düärt låthuål.«

Mittheilung von Woeste aus Iserlohn.


Vgl. die Anschauungen der Alten bei Panzer, II, 382 fg., und Grimm, Mythologie, S. 658 fg. Hübsche Mittheilungen über den Verkehr mit den Bienen bringt auch Höfer in Pfeiffer's Germania, I, 107-110.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 64-67.
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