327.

[108] In der Neujahrsnacht müßen die Bäume mit einem Strohband umwickelt werden, dann tragen sie mehr Früchte. Aus der Neumark, ebenso in Winterberg.


Zu 326 u. 327 vgl. Norddeutsche Gebräuche, Nr. 142 b, und unten zu 356, Wolf, Beiträge, I, 230, Nr. 559. Im Aargau umwindet man mit den zur Zeit des Ostertaufläutens geflochtenen Strohbändern (widstrau) die Obstbäume am Abend vor Weihnachten. Rochholz in Wolf's Zeitschrift, II, 229; Panzer, I, 262, Nr. 95. Meier, Aberglaube, Nr. 202, hat nur, daß die Obstbäume in der Weihnacht geschüttelt werden müßen. Aber ebendaselbst Nr. 208 gibt an, daß man während des Schreckeläutens am Tage vor Weihnachten oder in der Nacht Stroh um die Bäume bindet, dann tragen sie gut. In Thüringen umbindet man in der Johannisnacht die Bäume mit Strohseilen und meint, daß dann das Obst, welches sie tragen, nicht unreif abfallen könne. Sommer, S. 156. Dagegen war es ebendaselbst in alter Zeit Sitte, in den Zwölften an den Obstbäumen zu rütteln und ihnen zuzurufen: »Bäumchen[108] schlaf nicht, Frau Holle kommt!« Sommer, S. 162, 182; ebenso in der Mark: »Bäumchen wach auf, Neujahr ist da!« Märkische Sagen, S. 378. Ueber die Bedeutung des Strohbandes und -Halmes noch Rochholz, a.a.O. Wolf, Beiträge, I, Nr. 141; Liebrecht zu Gervasius v. Tilbury, S. 60; nach Montanus, S. 13, wurden die Obstbäume auch mit Epheu und Mistelkränzen umwunden. In Flandern herrscht ähnliche Sitte: »Tot over vyftig jaer had men in Westvlaenderen het gebruik van de appelboomen op vastenavond met een zweep, te slaen om ze te doen dragen; en terwyl men sloeg zong men de volgende versen:


appelboomtje wilt niet klagen,

al krygt gy nu wat slagen

gy moet van dit jaer dragen

appeltjes zeer frisch en rood

van meer dan en pond groot

op ieder tak

een moutzak.«


Lansens in Mannhardt, Zeitschrift, III, 164; vgl. Wolk in Haupt, Zeitschrift, VII, 533. Dazu stellt sich der englische Gebrauch, den der »Mirror« mittheilt: »In rogation week (Himmelfahrtswoche) a troup of young men run about the orchards, with a great noise and tumult, bawling out these lines:


Stand fast, root; bear well top;

God send us a youling sop;

every twig, apple big;

every bough apples enow.


For this they expect money or liquor, or both; and if disappointed, leave the place with a curse, expressed in some such doggerel rhymes.« An einer andern Stelle des »Mirror« heißt es: »In Devonshire they carry cider to the orchard and there encircling one of the best bearing trees, they drink the following toast, three several times:


Here's to thee, old apple tree,

Whence thou may'st bud, and whence thou mayst blow,

And whence thou may'st bear, apples enow!

Hats full, caps full!

Bushel bushel – sacks full!

And my pockets full too! Huzza!«


[109] Auch bei den Inselschweden findet das Umwickeln der Bäume mit Julstroh zu Weihnachten statt, Rußwurm, Eibof., II, 96: »Zum Schluße singt man wieder ein geistliches Lied und läßt dann Stroh (jûlbosse) hereinbringen, von dem der Wirth eine Garbe mehrmals gegen die Decke wirft, um nach der Zahl der hangenbleibenden Halme die Ernten für das nächste Jahr vorauszusagen. (Wo. vgl. D.M., CXI, 69.) Die Kinder wälzen, schlagen und necken sich auf dem Stroh, was man halmlaik (Strohspiel) nennt. Dies Julstroh hebt man auf, legt es um die Hopfenpflanzen oder Bäume und streut es auf den Acker, aber gibt es nicht den Kühen, weil sie sonst wild werden und in den Wald laufen.« – Nach dem schwedischen Gebrauch aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, welchen Liebrecht zu Gervasius v. Tilbury, S. 58, mitgetheilt, wurde der ganze Fußboden mit Roggenstroh bestreut, welches während der ganzen Zwölften liegen blieb. Das alles zeigt die Heiligkeit des alten Gebrauchs; das gestreute Stroh diente wahrscheinlich dazu, um die Opferspeisen und Götterbilder daraufzustellen, ganz wie bei den Indern ein Lager von Kuçagras für die Opfer an die Götter bereitet wird; dadurch wurde das Stroh geweiht und erhielt so seine Bedeutung für alle übrigen Gebräuche. Vgl. Wolf, Beiträge, I, 121, und Vâj. Sanh., Ausg. von Weber, 2, 5: »Weich wie Wolle breite ich dich, damit du den Göttern ein schöner Sitz seiest; die Vasus, Rudras, Adityas mögen sich auf dich setzen.« Rig veda, V, 26; 8, 9: »Breitet das Lager zum Sitz; die Maruts, die Açvins, Mitra, Varuna, die Götter mit ihrer ganzen Schar mögen sich darauf setzen.« Daß die römischen lectisternia auf gleichem Grunde beruhten, ist wol mit hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusetzen; Grimm (Mythologie, S. 59) *) weist auf die Bedeutung des gothischen badi, ahd. petti, u.s.w., die den Begriff von Bett und Altar gewähren, und gibt Brunhilde bette und lectisternium zur Erwägung, wobei ich noch daran erinnere, daß die Hünenbetten auch häufig Altarsteine, auch Heidenaltäre heißen.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 108-110.
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