406.

[136] Osterfeuer brennen auch noch zu Hageburg im Schaumburgischen, ebenso über Rehburg bis Woltringhausen, im hannöverschen Amte Uchte. Ebenso in vielen Orten des Sauerlandes, z.B. in Alten-Hundem.[136] – Ebenso im Münsterlande zu Steinfurt; wenn es angezündet ist, muß man von den Kohlen einige nehmen, sie ganz fein zerstoßen und mit Schmant zu einer Salbe mengen, das ist gut gegen das wilde Feuer.


Vgl. Grimm, Mythologie, S. 581; Norddeutsche Gebräuche, Nr. 19. Auch die Asche des Osterfeuers hat heilende Kraft bei Viehkrankheiten; Märkische Sagen, S. 312. Das bei der Scheiterweihe geweihte Holz oder auch nur eine Kohle desselben schützt das Haus vor dem Einschlagen des Blitzes; Meier, Gebräuche, Nr. 62. Panzer (II, 533) berichtet dasselbe vom Osterfeuer. Ebenso in der Gegend von Duderstadt Holz vom Osterfeuer; Wolf, Zeitschrift, II, 107. Dasselbe gilt vom Johannisfeuer, Grimm, Mythologie, S. 588. Am Ostersamstag läßt man im Hause alles Feuer ausgehen und trägt neues heim von jenem, welches vom Pfarrer auf dem Kirchhofe geweiht und mittels Stahl und Stein hervorgebracht wurde; aus Kärnten von Lexer in Wolf, Zeitschrift, III, 31, wozu man den hildesheimer Gebrauch (Grimm, Mythologie, S. 583) vergleiche. – In gleicher Weise nur mit Stahl und Stein wird das Charsamstagsfeuer am Lechrain angezündet; jedes Haus bringt dazu ein Scheit, einen Astprügel von einem Walnußbaum, welcher, beim Gewitter auf das Herdfeuer gelegt, zur Abwehr des Blitzes dient; Leoprechting, S. 172. – »Zuo dem sechszten, so weicht man auch das feuer an dem osterabent; das ist auch ze gebrauchen in den heuseren, wan der segen daruff gat.« Geiler von Kaisersberg (Stöber, S. 57). – »Throughout England, the fire was allowed to go out on Eastersunday, after which the chimney and fireplace were completely cleaned and the fire once more lighted«; Chambers, Edinb. Journ. March. 12, 1842.

Eine ausführliche Zusammenstellung der Gebräuche beim Osterfeuer hat noch Wolf in seinen Beiträgen (I, 72 fg.) geliefert; er sucht an diesen Gebräuchen nachzuweisen, daß die Feuer dem Donar zu Ehren entzündet seien, allein das Scheibentreiben und das Hinabrollen brennender Räder deuten auch auf die Sonne; vgl. auch Grimm, Mythologie, S. 578, und das Sonnenrad der Veden (Rigv., 4, 17, 14 und an andern Orten), und eine von Kemble mitgetheilte Nachricht zeigt, daß auch dem Freyr ein Theil der Osterfeier gegolten habe; sie lautet (Kemble, Die Sachsen, übersetzt von Brandes, I, 295): »Insuper hoc tempore[137] apud Inverchetin in hebdomada Paschae sacerdos parochialis nomine Johannes, Priapi prophana parans, congregatis ex villa puellulis, cogebat eas, choreis factis Libero patri circuire; ut ille feminas in exercitu habuit, sic iste procacitatis causa membra humana virtuti seminariae servientia super asserem artificiata ante talem choream praeferebat, et ipse tripudians cum cantantibus motu mimico omnes inspectantes et verbo impudico ad luxuriam incitabat. Hi, qui honesto matrimonio honorem deferebant, tam insolente officio, licet revererentur personam, scandalizabant propter gradus eminentiam. Si quis ei seorsum ex amore correptionis sermonem inferret, fiebat deterior et conviciis eos impetebat.« Aus einer ebenda mitgetheilten Stelle geht nun hervor, daß dem Freyr auch das Nothfeuer entzündet wurde (vgl. Wolf, Beiträge, I, 116, 220, Nr. 225, wo die wichtige Nachricht steht, daß das erste durchs Nothfeuer gehende Thier den Heiligen [sanctis] geopfert wird). Sie lautet: »Pro fidei divinae integritate servanda recolat lector, quod cum hoc anno (1268) in Laodonia pestis grassaretur in pecudes armenti, quam vocant usitate Lungessouth, quidam bestiales, habitu claustrales non animo, docebant idiotas patriae ignem confrictione de lignis educere et simulacrum Priapi statuere, et per haec bestiis succurrere. Quod cum unus laicus Cisterciensis apud Fentone fecisset ante atrium aulae, ac intinctis testiculis canis1[138] in aquam benedictam super animalia sparsisset; ac pro invento facinore idolatriae dominus villae a quodam argueretur, ille pro sua innocentia obtendebat, quod ipso nesciente et absente fuerant haec omnia perpetrata, et adjecit, et cum adusque hunc mensem Junium aliorum animalia languerent et deficerent, mea semper sana erant, nunc vero quotidie mihi moriuntur duo vel tria, ita quod agricultui pauca supersunt.« Da nun auch die Asche des Osterfeuers, wie oben angemerkt wurde, heilende Kraft bei Viehkrankheiten hat, so ist wol in hohem Grade wahrscheinlich, daß auch Freyr seinen Antheil an den Osterfeuern gehabt haben werde. (Ueber ein noch im Jahre 1826 angezündetes Nothfeuer vgl. die Nachricht aus dem »Mirror« bei Kemble, a.a.O., I, 296, und über eins aus dem Jahre 1828 bei Colshorn, Deutsche Märchen, Nr. 359; andere Nachrichten bei Grimm, Mythologie, S. 576 fg.) Vielleicht schied sich die Verehrung so, daß den Donar die Männer, den Freyr die Frauen und Mädchen besonders verehrten; daß eine solche Scheidung stattgefunden haben müße, geht aus manchen Umständen hervor; so durften an der Herrichtung des Osterfeuers zu Althenneberg (Wolf, Beiträge, I, 72) nur junge Bursche theilnehmen, während an dem oben geschilderten Tanz nur kleine Mädchen theilnehmen, ebenso sind mehrfach die jungen Bursche bei einem Gebrauche an einem Tage, die Mädchen an einem andern beschäftigt, vgl. Norddeutsche Gebräuche, Nr. 16, 17, und unten Nr. 423; oder die Thätigkeiten beider Geschlechter sind bestimmt geschiedene, wie bei den eben erwähnten, Norddeutsche Gebräuche, Nr. 16, und dem in der Anmerkung dazu mitgetheilten Ballspiel in Scone bei Perth, das auch Chambers (Edinb. Journ., Febr. 5, 1842) bespricht. Ebendaselbst heißt es: »A group of girls engaged themselves at one[139] part of a village (in Kent) in burning an uncouth image, which they called a holly boy and which they had stolen from the boys, while the boys were to be found in another part of the village, burning a like effigy, which they called the ivy girl and which they had stolen from the girls.« Auf dieselbe Weise wird der Gebrauch des Schuhausziehens am Ostersonntag von den Männern, am Ostermontag von den Mädchen geübt, siehe die Anmerkung zu Nr. 388. Ferner heißt es Chambers, Edinb. Journ., March 12, 1842: »The men lifted the women on Eastermonday and the women claimed the privilege of lifting on the ensuing day.« Dasselbe berichtet der »Mirror«.

Diese Scheidung der Gebräuche, übereinstimmend in England und Niederdeutschland, muß auf alter Grundlage beruhen, und da die Frauen beim geringsten Anlaß den Freyr (Priapus) anrufen (Wolf, Beiträge, I, 107), so ist zu vermuthen, daß insbesondere auch hier ihm ihre Verehrung zu Theil geworden sein wird. Daß mit der Verehrung des Freyr auch die der Freyja verbunden gewesen sein werde, ist an sich wahrscheinlich und wird auch von Simrock, Mythologie, S. 557, vermuthet, der aber neben ihr ebenfalls dem Donar eine Stelle einräumt. Auch Hocker (Stammsagen, Anhang, Nr. III, Ostara, S. 134) hält die Ostara für Freyja. – Schließlich bemerke ich noch, daß bei dem Bullenfeste im Drömling das Fleisch des geschlachteten Thiers gemeinsam verzehrt, aber die genitalia desselben auf der Diele aufgehängt wurden; Märkische Sagen, S. 368. Dem Freyr schlachtete man im Norden ebenfalls Ochsen; Grimm, Mythologie, S. 194.

Fußnoten

1 Dabei mag bemerkt werden, daß die Osterfeuer bei Gersthofen auf dem Hundsbüchl brannten; Panzer, Beiträge, II, 533. Des Opfers von Hunden gedenkt auch Dietmar von Merseburg, wo er von dem großen neunjährigen Opfer spricht; Grimm, Mythologie, S. 42. Ebenso wurden an dem großen neunjährigen Opfer zu Upsala Hunde geopfert, ebendas., S. 46, 47, wonach sich der Ausspruch Grimm's (Mythologie, S. 632), daß Hunde nicht opferbar sind, etwas berichtigt. Bei dieser Gelegenheit will ich meine Vermuthung auf Grimm's Frage, worauf sich die Sage von dem heiligen Petrus und dem Hunde gründe (Mythologie, S. 633), nicht zurückhalten. Sowol Petrus' Gespräch mit dem Hunde als auch das Hin- und Wiederlaufen des Thiers in einer Formel, die aus der Gewalt der Waßergeister retten soll, erinnert lebhaft an die indische Götterhündin Saramâ, die von Indra, der sich auch sonst vielfach mit Donar (Petrus) berührt, entsandt wird, um die von den Panis entführten Götterkühe aufzuspüren; sie meldet ihm den Aufenthalt derselben, und mit Bezug darauf wird wol die Frage gestellt: »Sage mir, welcher Mann zuerst mit dem Hunde sprach.« Doch wäre auch möglich, daß damit das Gespräch der Saramâ mit dem Panis gemeint wäre, das uns in einem Liede des Rigveda aufbewahrt ist; Ausführliches über den Mythus habe ich in Haupt's Zeitschrift mitgetheilt.


Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 136-140.
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