318.

[103] Am Abend vor dem Christfeste zogen Mädchen und Burschen in den Dörfern um; die Mädchen führten ein weiß gekleidetes Mädchen, deren Angesicht mit einem weißen Tuche verhüllt und deren Kopf mit Rosen und Goldflittern verziert war, das Christkindchen genannt, umher; die Burschen führten eine vermummte Mannsperson, den Näckels genannt, mit sich. Das Christkindchen brachte allerlei Bescherungen, die ihm vorher von den Aeltern und Verwandten gegeben wurden; es bezeigte sich wohlgefällig über die als gutartig und gehorsam bezeichneten Kinder, sowie über die, welche schön beten konnten, misfällig aber über die als unartig bezeichneten; diese wurden von ihm überdies noch mit Ruthenstreichen bestraft und mußten Beßerung versprechen. Nun trat auch der Näckels ein und heran, wüthete hauptsächlich gegen die Ungehorsamen, dräute und schlug nach ihnen und stellte sich überhaupt gar ungeberdig. Dann zogen alle weiter. Lehrer Kuhn in Hemschlar.


Vgl. Norddeutsche Gebräuche, Nr. 125. In Schwaben kommt der Pelzmärte und Sante Klaas (letzterer auch am Niklastag) und beschenkt oder züchtigt die Kinder; Meier, Gebräuche, Nr. 214.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 103.
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