Vorrede.

Ich habe diesem zweiten Theil nur weniges voranzuschicken. Was meine Quellen betrifft, so waren sie auch bei den Gebräuchen überwiegend die mündliche Ueberlieferung; schriftliche Mittheilungen erhielt ich auch für den zweiten Theil von den in der Vorrede zum ersten bereits Genannten. Den so gewonnenen Stoff ordnete ich hier, wo die Bedeutung der Oertlichkeit aus dem Spiele blieb, nach den durch die Mythologie gebotenen Gruppen, indem ich, was sich aus der Erinnerung von Göttinnen, Göttern, halbgöttlichen und dämonischen Wesen erhalten hat, voranstellte, dann die das Leben im allgemeinen betreffenden Abschnitte folgen ließ und endlich die Sitten und Gebräuche, die sich an einzelne Tage[9] des Jahres anlehnen, anschloß. Die letzteren habe ich in der Weise geordnet, daß ich mit dem Michaelistag begann und mit der Ernte schloß, weil diese der natürliche Jahresschluß der Kreise ist, dem die hier gesammelten Gebräuche vorzugsweise entstammen; der Michaelistag wie der Martinstag schließen sich freilich auch zum Theil noch an die beendete Ernte an, allein es beginnt auch mit ihnen schon die Ausschau auf das folgende Jahr, wie unsere Gebräuche zeigen, und so schien es mir am zweckmäßigsten, mit ihnen zu beginnen. Die den Schluß der Gebräuche bildenden Segen- und Zaubersprüche stammen zu einem großen Theile, meist wo nicht andere Quellen angegeben sind, aus schriftlichen Mittheilungen des Herrn Lehrers Kuhn in Hemschlar bei Berleburg. Die darauf folgenden Märchen hat zum größern Theil (Nr. 1-21) mein Freund Woeste zu Iserlohn beigesteuert, drei (Nr. 25-27) hat gleichfalls Herr Kuhn geliefert. Die gelegentlichen Bemerkungen zu denselben beanspruchen keinen höhern Werth; ausführlichere Nachweise der Verwandtschaft mit andern Märchen würden bei der Ausdehnung, die diese Literatur jetzt gewonnen hat, zu weit geführt und dadurch das Buch zu sehr angeschwellt haben. Mythische Züge in denselben zu suchen, wird zwar auch nach Benfey's trefflichen Untersuchungen über das »Pantschatantra« noch gerechtfertigt sein, aber es zeigt sich auch, daß es nur bei solchen geschehen darf, über deren rein deutschen Ursprung wir Gewißheit erlangen können, sonst gerathen[10] wir in Gefahr, buddhistische Anschauungen für solche unsers Alterthums anzusehen.

Das Sachregister dürfte den meisten Lesern unentbehrlich und darum willkommen sein.

Indem ich die Gelegenheit wahrnehme zu berichtigen, daß es auf Seite VIII, Zeile 6 von unten der Vorrede zum ersten Theile »Bergeleve« statt »studiosus juris« heißen muß, bedauere ich zugleich hinzufügen zu müßen, daß der dort genannte Herr Reinhold von Pommeresche leider vor wenigen Tagen in der Blüte seines Lebens vom Tode dahingerafft wurde. Seine schönen Mittheilungen aus Vorpommern und Rügen, deren sich auch in diesem Theile noch mehrere finden, sichern ihm ein dankbares Andenken bei den Forschern auf dem Gebiete deutscher Sagen und Gebräuche.

Schließlich spreche ich den Wunsch aus, daß diejenigen, welche mich in meinen bisherigen Sammlungen durch Mittheilungen unterstützt haben, mir auch in Zukunft solche mögen zugehen laßen, wie auch alle, die Gelegenheit haben, diese täglich mehr schwindenden Schätze der Volksüberlieferung kennen zu lernen, mich zu großer Dankbarkeit verpflichten werden, wenn sie mir dahin einschlagende Mittheilungen machen wollen. Es ist noch vieles, und gerade in Westfalen, zu sammeln, und mancher wird gewiß Lücken in dieser Sammlung finden, die er mit kleiner Mühe auszufüllen im Stande ist. Vielleicht gelingt es dann, diese Sammlung[11] durch einen neuen Band zu vervollständigen und sie so vollkommen zu machen, wie ich sie gern schon jetzt geliefert hätte.


Berlin, am 8. December 1859.


Adalbert Kuhn.[12]

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859.
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