3. Szene.

[94] Vorige ohne Franziska.


FRAU KLINKERT. Ein reizendes, liebes Kind!

ALBERTINE. Ach ja, sie macht mir viele Freude.

FRAU KLINKERT, Also, Milchen, Sie haben etwas auf dem Herzen, ein Geheimnis, – heraus damit!

EMILIE. Mein Gott, ich habe keine Geheimnisse. Oder soll ich vielleicht ein Geheimnis daraus machen, daß mein Mann jetzt öfter des Abends ausgeht, als anfangs nach unserer Verheiratung?! – Albertine und Frau Klinkert wechseln einen Blick, räuspern sich. Hm! hm! Und stricken dann eifrig weiter. Kleine Pause.

EMILIE. Nicht wahr, es ist kindisch, darüber zu sprechen?

ALBERTINE. Je nun –

FRAU KLINKERT. Ei, ei.

EMILIE. Je nun – ei, ei?! – Was soll das? Was wollt Ihr damit sagen?

FRAU KLINKERT. Aengstigen Sie sich nicht, liebes Kind, es ist vielleicht nicht so schlimm.

ALBERTINE. Es kommt darauf an, wohin dein Mann geht.

EMILIE. Wohin? Jedenfalls in sehr anständige Gesellschaft. Er kommt mit einigen Freunden zusammen, sie trinken ein Seidelchen –

ALBERTINE. Oder zwei.

EMILIE. Meinetwegen auch zwei. Sie singen ein Liedchen –

FRAU KLINKERT. Ach, sie singen!

EMILIE. Ja, Quartette – es ist ein Verein: »Die Harfe«, und Wilhelm gehört zum Vorstand.

FRAU KLINKERT. So, so, ein Verein! Ein Seidelchen, ein Liedchen, ein Quartettchen! Was sagen Sie dazu, liebe Hasemann?

ALBERTINE. Ich bin ebenso erstaunt wie Sie, liebe Klinkert.

EMILIE. Erstaunt? Weshalb seid Ihr denn erstaunt?

ALBERTINE. Und wann kommt er nach Hause?

EMILIE etwas verlegen. Es wird wohl zwölf oder ein Uhr; er ist auch schon mal in der zweiten Stunde erst gekommen.

ALBERTINE. Ein Ehemann, der im ersten Jahr in der zweiten Stunde nach Hause kommt! Wie gefällt Ihnen das, liebe Klinkert?[95]

FRAU KLINKERT. Ich bin starr, liebe Hasemann.

ALBERTINE. Du bildest dir also ein, daß dein Mann bis zwei Uhr nachts Lieder singt?

EMILIE. Was sollte er denn sonst tun?

FRAU KLINKERT. Ach, wie naiv! Aber ehe ich meinen Klinkert kennen lernte, war ich ebenso.

ALBERTINE. Ich will dir meine Meinung sagen: der sogenannte Verein ist nur ein Vorwand. Wenn verheiratete Männer die Nacht außer dem Hause zubringen, dann bleibt es nicht beim Trinken und Singen – sie suchen zweideutige Lokale auf –

FRAU KLINKERT. Mit freundlicher Bedienung.

ALBERTINE. Sie treiben Frivolitäten.

EMILIE aufstehend. Nein, so was tut mein Wilhelm nicht.

ALBERTINE. Peter, Paul oder Wilhelm – das ist ganz egal, die Männer sind alle aus demselben Holz geschnitzt, und wenn du einen guten Rat von mir annehmen willst, so leide es nicht mehr, daß dein Mann in den Verein geht.

FRAU KLINKERT. Unter keiner Bedingung.

EMILIE. Ich kann es ihm doch nicht verbieten?

ALBERTINE. Du sagst ihm, daß du dich fürchtest, wenn du des nachts allein bist.

EMILIE. Das habe ich ihm schon gesagt, und es ist auch wahr.

ALBERTINE. Und was hat er dir geantwortet?

EMILIE. Wilhelm meinte, wenn ich mich fürchte, soll ich die Jette in meinem Zimmer schlafen lassen.

FRAU KLINKERT. Die Jette? Haha! Statt des Jatten die Jette – ich danke!

ALBERTINE. Wenn das also nichts hilft, dann mußt du an den Vereinsabenden unwohl werden.

EMILIE. Ich soll mich krank stellen, wenn ich gesund bin?

ALBERTINE. Namentlich im ersten Jahre hilft das immer.

EMILIE. Nein, mit so etwas soll man keinen Spaß treiben.

ALBERTINE ärgerlich. Nun, wenn du dir nicht raten lassen willst, dann mußt du dich auch nicht beklagen.

EMILIE weinerlich. Ich beklage mich ja nicht.

FRAU KLINKERT steht auf und tritt zu Emilie. Aber Kindchen, seien Sie doch vernünftig. Spricht eifrig, aber leise mit ihr.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 94-96.
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