1. Szene.

[76] Rudolf. Marie sitzen an einem links stehenden Tisch und trinken Kaffee. Clara am Büffet, schneidet für die neben ihr stehenden Knaben Gottlieb und Carl Butterbrote.


MARIE Rudolf einen Brief zurückgebend, welchen sie soeben gelesen hat, halbleise. Ach, Herr Starke, es klingt doch alles so aufrichtig, so ehrlich. Glauben Sie noch nicht, daß er ein anderer Mensch geworden ist?

RUDOLF den Brief einsteckend. Ja, ich glaube es, die Not ist eine gute Schule.

MARIE. Und Sie wollen ihn noch immer nicht auffordern, zurückzukommen?

RUDOLF. Nicht eher, als bis ich Beweise habe, daß er wirklich ein charakterfester Mann geworden ist, dem man ein so weichmütiges Ding, wie Sie sind, ohne Besorgnis anvertrauen kann.

MARIE. Wer spricht denn von mir! Ich habe längst Verzicht geleistet.

RUDOLF ihr lachend drohend. Na, na, nicht lügen.

CLARA sich umwendend. Was habt Ihr denn da wieder für Heimlichkeiten? Das kommt mir nun bald verdächtig vor.

RUDOLF. Nicht neugierig sein, Cläre, es handelt sich vielleicht um eine Geburtstagsüberraschung für dich.

CLARA. Ach, das sind Finten!

GOTTLIEB. Mutter, ich habe Hunger!

CLARA. Gleich, gleich!

CARL. Für wen ist denn die große Stulle?

CLARA. Für dich, Carlchen. Gibt ihm ein Butterbrot.

CARL. Ach, bloß so klein? Setzt sich auf die Erde und ißt.

RUDOLF. August!

GOTTLIEB zu Clara. Meint der Vater mich?

CLARA. Natürlich Gibt ihm auch ein Butterbrot.

RUDOLF. August, komm' mal her!

GOTTLIEB zu Rudolf gehend. Was gefällig, Vater?

CLARA vorkommend. Warum nennst du den Jungen immer August? E heißt doch Gottlieb.[76]

RUDOLF. Er heißt Gottlieb August, er mag sich an beide Namen gewöhnen.

CLARA. Ach was! Der Junge wird noch ganz irre!

RUDOLF. An mir? Ich denke, nicht. August, geh' mal in die Werkstatt und sage Hempel'n er möchte herkommen.

GOTTLIEB. Gleich, Vater. Ab nach links.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 76-77.
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