[32] Vorige. Rudolf.
RUDOLF im Rock, die Mütze in der Hand, tritt in demselben Augenblick von rechts ein, als Weigelt drohend auf Clara zugeht. Er tritt rasch zwischen ihn und Clara. Nanu! Nanu! Was sind denn das für verdächtige Bewegungen?[32]
WEIGELT. Was wollen Sie? Scheren Sie sich in die Werkstatt!
CLARA. Nein, Rudolf, bleiben Sie. In Ihrer Gegenwart wird es mein Vater nicht wagen, mich zu schlagen.
RUDOLF. Schlagen? Die Clara schlagen! Und warum?
WEIGELT. Weil sie ein boshaftes Ding ist, das ihren Bruder verleumdet.
RUDOLF. Ach so, der Zierbengel ist wieder der Zankapfel. Hören Sie mal, Herr Weigelt, es ist ein Skandal, daß Sie sich von Ihrer Affenliebe so weit verblenden lassen, daß –
WEIGELT die Arme in die Seiten stemmend. Mensch! Was untersteht Er sich?
RUDOLF. Richtig, ich spreche, als ob ich schon zur Familie gehöre. Zu Clara. Ach so, der weiß noch garnischt, wie? Nu, daß ich es kurz mache: die Clara und ich, wir haben uns vorhin verlobt, und ich bin eben gekommen, bei Ihnen um Ihre Tochter anzuhalten.
WEIGELT. Nanu brat' mir aber einer 'n Storch! Ich habe wohl nich richtig gehört?
CLARA. Es ist so, wie er sagt, Vater; ich habe eingewilligt, sein Weib zu werden.
WEIGELT. Mädchen, bist du verrückt? Du willst den Menschen da heiraten?
RUDOLF. Und warum nicht?
WEIGELT. So einen Menschen, der, der –
RUDOLF. Na?
WEIGELT. Der bei's letzte Schlachtfest – wenn ich sage Schlachtfest, denn meine ich Sedanfeier – knüppeldickevoll nach Hause gekommen ist und alle Mädchens umarmt und geküßt hat, sogar mir? Ein Mensch, der nichts hat und nichts ist, ein ganz ordinärer Schuster!
RUDOLF ruhig. Hören Sie, Ihnen pickt er wohl? Was sind Sie denn anders, wie'n Schuster?
WEIGELT. Daß ich nichts andres bin, wie ein Schuster, ist nicht meine Schuld; ich kann es meinem Vater heute noch nicht verzeihen, daß er mir nicht wenigstens Doktor oder so was hat werden lassen. Darum aber werde ich noch lange nicht zugeben, daß sich meine Tochter wegwirft. Wenn ich sage wegwirft, denn meine ich Ihnen.
CLARA. Vater, du beleidigst mich, wenn du so nichtachtend von Herrn Starke sprichst.[33]
WEIGELT. Herr Starke ist ein Schustergeselle, mein Geselle, dem ich hiermit mein Haus verbiete.
CLARA. Vater, überlege, was du tust. Wenn du Herrn Starke das Haus verbietest, trennst du dich auch von – mir ich werde ihn nicht verlassen.
WEIGELT achselzuckend. Geh doch, ich halte dir nicht.
CLARA das Gesicht mit den Händen bedeckend. O, mein Gott!
RUDOLF. Ruhig, Clara, es wird so schlimm nicht kommen.