Hundert und fünfter Brief

Rosalia an Mariane S**.

[175] Nun, Mariane, kann ich auch sagen, ich habe das Schwerste gethan, was eine zärtlich liebende und empfindliche Frau thun kann. Vor fünf Tagen kam Cleberg mit meinem Oheim zurück. Ich hatte so viel über mich gewonnen, daß ich noch während seiner Abwesenheit Lisetten mit alle meiner vorherigen[175] Achtung und Freundlichkeit begegnete; ein ofenes natürliches Wesen behielt, und alle meine Anwandlungen von Unmuth und Rachsüchtigkeit, von denen ich nicht frey war, dahin zu wenden suchte, jede gute Eigenschaft meines häuslichen und gesellschaftlichen Verdienstes, die Cleberg an mir geliebt hatte, in ganzer Thätigkeit zu erhalten, indem ich mir sagte: seine Hochachtung soll mich für den Verlust seiner Liebe schadlos halten. Aber, o Mariane: Was kostet es, dies zu sagen; und wie viel eigene Erkältung des Herzens gehört dazu die Kälte eines andern mit Ruhe zu tragen. Ich bemerkte, daß Linke dem vortreflichen Latten von der kleinen Ehstandsbegebenheit geredet hatte, weil sie mich, wenn ich mit Lisetten sprach oder Cleberg nannte, am meisten zu beobachten schienen, und mir vereint eine vermehrte Achtung bezeugten. Lisette wurde auch wieder etwas vertrauter; arbeitete aber mit anhaltendem Eifer fort; fuhr zehnmal des Tages von ihrem Sitz auf, wenn sich das Rasseln einer Kutsche auf der Landstraße hören ließ. Eine Röthe und verdrießliche Miene zeigte, daß sie sich betrogen hätte und sah doch immer wieder hinaus, dann auch mit gesenktem Kopf[176] nach uns, und ihren Stuhl rückte sie mit Ungeduld zurecht. Ich nähete auch, beschäftigte mich aber viel mit Lattens Fritzgen; ein holder empfindungsvoller Knabe, für den ich van Gudens Bilderbuch aus der Stadt bringen ließ und Mittags, weil es zum Spatzierengehen zu warm war, die Bilder anzeichnete, die er merken und mir ähnliche Sachen des Abends im Felde, im Dorf oder im Garten zeigen mußte. Nicht nur die Geschichte seiner Mutter, sondern auch die Aussicht, die vor mir ist, selbst ein Kind zu haben, hefteten mich an ihn, und machten, daß ich eine Probe vom nützlichen Gebrauch des Bilderbuchs mit ihm vornahm und ihn auch das, was er im Herumgehen sah, wieder im Buche aufsuchen ließ. Er wollte ein kleines Feld und einen kleinen Pflug haben. Der Wagner im Dorfe hat einen Buben von sechs Jahren, der alles, was sein Vater im Großen und von harten Holz macht, im Lindenholz nachäst, und gewiß ein sehr vortreflicher Mann in diesem Handwerk werden wird; er hörte auch nicht auf, den Sohn des Schmids dahin zu bringen, daß er ihm kleine Pflugschaaren machte, damit sein ganzes Ackerzeug vollkommen seyn[177] möchte. Mit dem Jungen des Zimmermanns baute er sich einen Schoppen, wozu ihm Cleberg das Holz gab, und auch für die Jungens das Lehrgeld zahlen will, die sich durch das Beyspiel von diesen zum Fleiß und Geschicklichkeit aufmunterten; wie ich ihnen auch hier sagen will, daß er bey dem Bau unsers Garten und Hauses nebst meinem Oheim auf die herumschlendernden Buben Achtung gab und diejenigen, welche sich oft und anhaltend bey einem oder andern Urtheilsplatz einfanden, befragten sie um die Ursache: war es wirklich vorzüglicher Hang, der die Jungen zum Steinmetz, Zimmermann, Gärtner oder Maurer führte, so sorgten sie dafür, daß die Eltern, die ihnen manchmal eine andre Bestimmung gaben, in den Sinn der Knaben willigten, und erleichterten jede Beschwerde, die sich dabey fand. Unser Gärtner, der zugleich unser Bedienter ist, hat wirklich vier Jungen in der Lehre, die gewiß gute und geschickte Menschen werden. Der Gärtner und Cleberg selbst halten ihnen Zeichnenstunden. Wir kleiden sie und schaffen das Essen. Es kostet auch nicht so viel, als man denken sollte. Ich und Cleberg einen Einbildungsrock weniger in einem[178] Jahre giebt uns Geld für Nahrung und Kleidung der guten Jungen. Auf die Werkeltage sind sie alle in groben weißen Leinen und grünen Hüten; Sonn- und Feyertage haben sie Röcke von grünem Zeug dazu. Alle Tage hilft einer aufwarten, ordnet die Blumen vom Nachtisch und die in den Zimmern stehen, damit sie einst auch den Dienst eines Laquayen mit der Gärtnerey verbinden können. Obst trocknen und in Zucker sieden lernen sie auch, und ich versichere sie, daß es recht artig ist, die vier wackern jungen Leute arbeiten zu sehen. Wir haben Fritzgen ein Stück Land eingeräumt; dort pflügte er mit dem kleinen Ackerzeug des guten jungen Wagners und säete auch. Die Freude des lieben Kindes ist nicht zu beschreiben, und Lattens Vatertreue auch nicht. Mit was für einen Ausdruck melancholischer Zärtlichkeit er ihm zusah, über ihm gebeugt war, wenn der Knabe zu ihm kam, den guten Papa zu fragen, oder ihm was zu erzählen. Sein kleines Feldchen liegt an einem Traubengeländer hin, und am Ende davon stehen etwas erhöht zwey sehr große Birnbäume, die Cleberg beyde in den Baurengarten fand, als er ihn zu dem Unsrigen kaufte, und[179] die zwey so freundlich beysammen stehenden Gewächse nicht trennen und nicht ausrotten wollte. Latten und wir alle fassen an diesen Bäumen, als das Stückgen Erde für Fritzgen zugerichtet wurde, der sehr viel dabey zu thun hatte, und dann auf seines Vaters Schooß ausruhte. Als er es angesäet hatte, regnete es zwey Tage, das machte den Kleinen sehr unzufrieden weil er seinen Acker und das Haus des guten Wagners nicht sehen konnte. Latten erklärte ihm den Nutzen und das Wohlthätige des Regens, und der liebe Bube wurde so gerührt, daß er an das Fenster kniete, gen Himmel sah und mit gefaltenen Händgen sagte: O lieber Gott, laß auch auf meinem Acker und auf Hansens Acker regnen, daß unser Brod wachsen kann.

Latten sprang auf, kniete zu ihm hin, faßte die geschlossenen Hände des Kindes in die seinigen: Lieber Gott, erhör das Gebet meines Fritzgens! und drückte ihn an sich. Was er für das Kind erbat, sprach sein Auge und seine darinn zitternde Thräne und der Knabe war so herzlich froh, daß sein Papa für die Erfüllung seiner Wünsche bettelte. Latten nahm diesen Weg zu dem Herzen seines Sohnes, daß er in[180] guten oder gleichgültigen Anlässen immer von der Meinung des Kleinen war, um ihn ja die Obergewalt nicht zu einer unrechten Zeit fühlen zu lassen und weil man durch eine immerwährende Rechthaberey bey Alten und Jungen verhaßt würde. Diese Anmerkung, meine, Liebe, machte ich mir auch zu Nutz, und setzte mir vor, gegen keine Seele über irgend etwas zu streiten, wenn es nur auf das kleine Vergnügen des Rechthabens ankäme, und auch in der so feinen Sache zwischen Cleberg, Lisetten und mir ja keinen widerstrebenden, eigensinnigen Ton zu nehmen. Das Kind erhielt mein Herz in einer sanften Stimmung. Lattens Geschichte und Grundsätze befestigten mich in der Pflicht des Ertragens der Fehler und Unvollkommenheiten anderer, und erhöhte den Werth eines großmüthigen Bezeigens. Alles das fühlte ich; aber dieß war nicht mehr Liebe, und das macht den empfindlichsten Theil meines Kummers in den ruhigsten Augenblicken aus. Endlich kam Cleberg und mein Oheim; aber Abends spät, gerade als wir schon nach dem Essen noch im Garten herum giengen. Mein Herz pochte unendlich. Cleberg war in seinem Reisekleide so schön; seine Freude über[181] Latten so edel in ihren Ausdrücken. Er küßte meine Hände, sah mich aber nicht viel an, sprach auch mit Lisetten nichts besonders; ob sie ihm schon hundert Fragen that. Er und mein Oheim nahmen nur etwas Wein und Brod im Garten; nachher ging ich mit Letzterm ins Haus, und da dieser schlafen wollte, in mein Zimmer; zog mich aus, schickte mein Mädchen fort, und legte mich, da ich mein Licht ausgelöscht hatte, an das Fenster. Es war nicht gut, daß ich es that, weil Unruhe und dunkle Vermuthungen mich dazu brachten, die mich auch natürlicher Weise zu den schlimsten Auslegungen des allerunschuldigsten Vorgangs verleiteten. Ich hörte, daß Cleberg, Latten und Linke in dem Laubengang auf und ab spazierten. Endlich gab Cleberg Linken den Auftrag, er solle Latten nach seinem Schlafzimmer führen. Er für sich, müsse noch einige Zeit herum gehen; es wäre ihm heiß, und er sey zum Reden zu matt. Seine Freunde gingen auch; und er lehnte sich einige Augenblicke hernach an den Pfosten des Laubengangs gegen meinem Fenster über. Wie mich däuchte, sah er nach, ob ich noch Licht habe. Die grünen Sonnenschirme meiner Fenster waren[182] nahe beygezogen; er konnte mich nicht sehen, aber ich ihn, weil er ganz hellgrau gekleidet war und auch so einen Hut hatte. Seine Stellung schien nachdenkend und beynah traurig. Er rührte mich und ich fing an zu überlegen, ob ich ihn nicht zärtlich anrufen sollte. Meine Hand wollte auch schon den Schirm in die Höhe heben, als ich ihn sich schnell wenden sah und Lisetten sprechen hörte. Ach, mein Arm und mein Kopf sanken auf die Fensterrahmen nieder und endlich gieng ich von Schmerz und Unmuth wankend in mein Bette. Ich schlief nicht, also bemerkte ich auch ganz deutlich, daß Cleberg nicht in sein Zimmer kam. Es war eine sehr elende Nacht, die ich da durchzuleben hatte. Ich weinte aber nicht eine Zähre, stund früh auf, kleidete mich auch gleich ganz gut an, und nahm mir vor, beyden nicht im mindesten merken zu lassen, was ich von ihnen dächte. Nach Lisettens Gesundheit und nach Clebergs Nachtruhe zu fragen, das war mir unmöglich; aber Ruhe, Güte und Gleichmüthigkeit suchte ich zu zeigen. Cleberg saß tiefsinnig bey dem Frühstück. Lisette sprach auch nicht; machte hundert kleine Brodtkrumen, tauchte sie in ihren Caffee, ohne eine[183] davon zu essen. Ich machte mir viel mit Fritzgen Latten zu thun, nahm aber mein Frühstück wie sonst. Beyde jammerten mich; ich sah ihre Glückseligkeit noch viel elender zu Grunde gerichtet als meine, und ich fühlte Würde und eine herrliche Gelegenheit, Größe und Güte der Seele zu zeigen, in mir. Doch konnte ich den sonderbaren Einfluß nicht hindern, den Clebergs Trübsinn und Schweigen auf alle machte. Wie der Tisch weggeräumt war und ich mich zu meinem Nährähmen setzte, bat ich Linken den Pack Bücher zu holen, welchen er Tages vorher bekommen hatte; er that es und dies belebte uns alle, ausser Lisetten, die fortnähte. Latten, Linke, Cleberg und mein Oheim geriethen in eine wichtige Unterredung über den Nutzen und Schaden, den das viele Bücherschreiben und Lesen verursache. Latten setzte etwas darüber auf, das ich ihnen einst schicken werde. Es kamen Gäste aus der Stadt. Cleberg ging fort, und ich mußte bis Abends die Leute unterhalten. Ich bezeigte mich aber gegen Lisetten wie sonst; ob sie schon unempfindlicher gegen mich war, als ehmals. Die Gesellschaft ging am Ende des kleinen Essens im untern Saale zu Fuß der Stadt zu. Ich blieb im Hause und[184] ordnete mit meinen Leuten die Besorgnisse des andern Tages. Ich fürchtete mich vor der Nacht, legte mich aber, eh die andern zurückkamen, schlafen. Cleberg kam leise in sein Zimmer, ging auch wieder hinaus, und ich hörte ihn nicht mehr. Daß war wieder schlimm für mich; doch weinte ich etwas und schlummerte ein. Ich führte Morgens wieder meinen Plan der Ruhe durch, ging wohl gar bis zu einem Grad der Heiterkeit; Cleberg blieb nicht bey uns. Ich wurde in ein Gespräch verwickelt, das mich hinderte, Lisettens Abwesenheit zu bemerken. Ich ging auch selbst hinaus, um in dem äussersten Zimmer ein Bette aufschlagen zu lassen, weil mir mein Oheim einen Fremden meldete. Sie wissen, daß ich niemals bey den Kupferstichen vorbeygehe, ohne einige Zeit da zu verweilen. Ich machte das Zimmer auf und bey dem ersten Schritt sah ich meinem Cleberg zu der Seitenthüre hinauseilen und Lisetten da sitzen. Ich wandte mich gleich um und gab mit dem kleinen Taumel in meinem Kopfe dennoch meine Befehle, ging wieder in den Saal an meine Arbeit, und zum Gespräch. Cleberg kam auch, sah manchmal sehr eifrig auf mich, legte sich ans Fenster, setzte sich auf Lisettens Stuhl an ihrem[185] Rahmen, und betrachtete mich von dortaus einigemal vom Kopf bis zu den Füssen.

Vergleichst du mich mit deiner Blondine? dachte ich und sah ihn, ich bin es gewiß, mit lächelnder Kälte an. Er spielte noch mit der Scheere, der Seide und den Nadeln etwas fort; und biß in seine Lippe. Ich wollte hindern, daß niemand, als ich, es bemerken sollte und fing eine muntere Unterredung an. Da stund er heftig auf, biß einen Faden, den er um die Finger gewickelt hatte, entzwey und ging fort. Ich sah ihm nach, blickte unwillkührlich auf Lisettens Arbeit, und war etwas zerstreut. Lisette kam nicht zum Mittagsessen. Sie hätte Kopfweh, ließ sie sagen. Ich ging den Augenblick zu ihr, aber sie sagte mir mit Ungedult, sie könne nicht viel reden hören. Ich kam zurück und fragte Hannchen Itten, ob Lisette öfters mit dem heftigen Schmerz geplagt wäre? sie könne nicht einmal sprechen hören, und befahl den Leuten, ja leise hin und her zu gehen. Nach dem Caffee ging ich wieder zu ihr. Sie hatte sehr geweint und war noch mürrisch, ich redete sanft mit ihr. Sie war stöckisch; ich fühlte mich groß, und nahm ihre Hand. Lisette! dieses Betragen gegen[186] mich, sagte ich, hat einen andern Grund, als ihr Kopfweh. Habe ich ihnen was zu Leide gethan? Sagen sie es! Ich möchte nicht, daß es geschehen wär, und hatte den Vorsatz niemals. Ach, Hannchen ist ihnen doch lieber als ich, sagte sie. Das ist artig, dachte ich, so bist du auch eifersüchtig. Das haben sie nur bey ihren Kopfweh gesehen, mein Kind? Sie schwieg lang auf dem Stuhl gelehnt, und weinte dann stark. Liebe Lisette, ihr Aufenthalt bey mir hat für sie nicht alles das Angenehme, was ein feines und wohldenkendes Frauenzimmer wünschet; es ist Unruh in ihre Seele gekommen; mein Kind, ich will nicht, daß sie mir davon sprechen oder glauben, was ich ihnen sage; aber ich bedaure sie redlich. Hören sie mich, ich will ihre Freundin seyn, und ihnen wieder zu ihrer Munterkeit helfen. Sie werden sie nicht anders wieder finden, als in ihrer eigenen Hochachtung und in der Hochachtung ihrer Freunde. O Frau Cleberg! was sagen sie da? hat Herr Cleberg ihnen so von mir gesprochen? Nein! Gewiß, er hat nicht das mindeste Nachtheilige von ihnen geredet, so lang er sie kennt. Das macht nichts! Er ist doch falsch und stolz.[187]

Ich begreife sie nicht, Lisette! bitte sie aber nur, fassen sie sich: denken sie von niemand Böses und suchen sie allein das gute liebenswürdige Mädchen zu seyn, das sie beym Anfang unserer Bekanntschaft waren. Da geben sie mir das zweyte Lehrstück; haben sie es mit ihrem Gemahl verabredet? Ihre Bitterkeit setzt mich in das äusserste Erstaunen! was soll ich mit Cleberg verabredet haben? Er war ja nicht hier, als sie ihr, sonst so holdes, artiges Bezeigen abänderten. Ich werde ihm aber gewiß nichts davon sagen, denn, es ist nicht gut, wenn auch die liebenswürdigsten Männer unsere Fehler wissen. Der liebenswürdigste ist also wieder Herr Cleberg? Ja, Lisette, er ist es; ich wollte, es gäbe mehrere, da würden sie nicht so unzufrieden seyn, mein Kind! Aber – sie wollte nun wieder mit Zorn reden. Ich hielt meine Hand vor ihren Mund.

Nichts Lisette! nicht zornig! ich könnte es ja auch werden. Sehen sie mich an; denken sie, wie werth ich ihnen in den ersten Zeiten unserer Freundschaft gewesen bin. Löschen sie alle andre aus, und seyn sie wieder wie damals. Ich will es immer seyn, ich verspreche es ihnen! Das ist ganz gut. Machen sie[188] nur, daß ich heut noch wegkomme, ich kann nicht mehr bleiben. Aber so jähling abgehen? Kind! bedenken sie sich. O ich bitte, machen sie Anstalt dazu! Nun so will ich mit Hannchen und ihnen in die Stadt fahren. Wieder ihr Hannchen? Geben sie mir nur ihre Cammerjungfer und einen Bedienten, Mein Kopfweh entschuldigt alles.

Ich sähe gern, daß sie sich eine Viertelstunde bedächten! Ich will wiederkommen, überlegen sie es noch einmal! es ist zu auffallend. Ich weiß alles, aber ich will weg. Nun so will ich Anstalt wachen; beruhigen sie sich!

Ich ging wirklich ganz verlegen weg. Soll ich sie gehen lassen, für mich allein? Soll ich es sagen, wem? In diesem Nachdenken ging ich langsam, mein Oheim begegnete mir bey meinem Zimmer, und hielt seine Arme offen. Ich umfaßte ihn und legte meinen Kopf an seine Brust. Mein Herz brach, als ich das Umschliessen seiner Arme fühlte, und von ihm halb getragen in mein Zimmer geleitet wurde. Ich weinte; er konnte nicht reden. Cleberg kam aus seinem Nebenzimmer. Plötzlich hörten meine Thränen auf und ich zitterte als er sich mir näherte. Er nahm meine Hand:[189] Salie! angebetete Salie! O, vergieb dem letzten Eigensinn dieses Herzens. Ich habe dich beleidigt! Ich hätte es nicht thun sollen, ich wollte dich eifersüchtig sehen! Unser Oheim weiß alles. Meine Seele ist dein, sagte er zu meinen Füssen: vergieb mir! O wie grausam hast du mit unserm Glück gespielt, Cleberg! wie grausam mit der Ruhe des armen Mädchens!

Mariane! der ungerechte Mann klagte Lisettens Eitelkeit an. Ich mußte sie vertheidigen.

Quelle:
Sophie von La Roche: Rosaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St**. Theil 1–3, Teil 3, Altenburg 1797, S. 175-190.
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