Siebenter Brief

[30] Es ist schön, meine Mariane, es ist gewiß sehr schön, wenn man die Gabe hat, sich Glück zu schaffen, da, wo andre nichts, als die gewöhnliche Lage des Hausstands sehen. – Gestern machte ich die Bekanntschaft einer Frau, welche diese Fähigkeit ganz besitzt, und ihre Unterredung mir der jungen Braut, so bey uns war, schien mir eine Anweisung zu seyn, wie man jedes Stück mühsam angebautes Feld mit einer Reihe ergötzender Blumen einfassen könne. – Die ganze Ordnung und Stärke der Gedanken kann ich Ihnen nicht wiederholen, nur einen Auszug, der sich mir stückweis einprägte. –

Nach den Glückwünschen, die Frau K**. dem artigen Mädchen gemacht, sagte diese halb ängstlich: »Ach, wenn ich hoffen könnte, in meinem Ehestande so munter und vergnügt zu seyn, wie Sie Madame, es sind!« – Das wird leicht seyn, mein Kind! Sie dürfen sich nur Ihre Verbindung als die Gelegenheit[30] vorstellen, die Sie haben werden, Ihren Verstand, Ihre Geschicklichkeit und die Güte Ihres Herzens zu zeigen. – Durch Ihre unausgesetzte zärtliche Achtsamkeit, die Liebe des Herrn B**. zu erhalten, werden Sie das beste Glück seines Lebens seyn. – Das Maaß Wohlergehn, welches gute Hausbediente wünschen, hängt auch nur von Ihnen ab. – Durch Gefälligkeit, Sanftmuth und Munterkeit im Umgang, werden Sie die Gewalt haben, den Freunden des Herrn B**. Vergnügen zu machen. Den Tag, wo Sie Mutter werden, müssen Sie nicht denken, daß Ihre Beschwerden und Sorgen sich häufen, sondern, daß ein Geschöpfe mehr lebt, dessen Glück und Wohlseyn aus Ihrem Herzen fliessen wird. – Ist dieses nicht eine angenehme glänzende Aussicht für eine junge Schöne? Der Grund des freudigen Tons meiner Seele ist die häusliche Zufriedenheit meines Gatten; das sorgenfreye Lächeln meiner Kinder; der frohe Diensteifer meiner Bedienten, und die vergnügte Miene unserer Freunde; weil ich zum Theil sagen kann, daß es mein Werk ist! – Glauben Sie, meine Liebe, die Vorsicht hat uns Frauenzimmern ein schönes Gebiet anvertrauet;[31] es kommt nur darauf an, wie wir es anbauen! – Wenn wir Tugenden und Klugheit ausstreuen: so wächst uns gewiß Liebe, Hochachtung und Wohlstand auf. Eigensinnig müssen wir nicht seyn, und Rosen ohne Dornen fodern, oder, daß der Stein, an den wir uns stossen, weich seyn solle! Merken Sie sich, mein Schatz, die Züge Ihres Geistes und Charakters, die Herr B**. bis jetzo an Ihnen belobte, und suchen Sie diese Eigenschaften vollkommen zu machen, weil dieses die Fesseln sind, die er freywillig um sein Herz band, und die ju ihm den Wunsch einer immerwährenden Vereinigung nach sich zogen. Seyn Sie auch sorgfältig auf die Erhaltung Ihrer Schönheit bedacht: denn die Natur hat den Reizen, die sie uns mitgetheilt, eine auf die Herzen der Männer ewig würkende Kraft gegeben. Feine Auswahl im Putze und der äusserste Grad von Reinlichkeit, sind die materiellen Stützen der häuslichen Liebe. Eine unveränderliche Gleichheit des Gemüths; Ausdruck der Hochachtung für die Verdienste des Gatten; liebreiches, nicht stockendes Schweigen, bey Unannehmlichkeiten; der heitre Ton der Zufriedenheit, bey seinem Anblick;[32] die Ueberzeugung, daß man ihm mit Vergnügen das Glück seines Lebens danke; daß man jede Pflicht der Gattinn, der Mutter, liebe; der Anbau des Verstandes, um die nöthigen Reize der Abänderung in den Unterredungen einstreuen zu können: – dieses, meine artige junge Freundinn, sind die tugendhaften Kunstgriffe, deren ich mich bediente, einen geistvollen, die schöne Welt kennenden Mann, zwanzig Jahre lang zärtlich, und mit seiner Verbindung vergnügt zu erhalten. Ohne Mühe erlangen wir nichts. – Der Bauer und Gärtner muß säen und pflanzen, um von der Erde Brod und Früchte zu ziehen. – Arbeiten des Geistes und der Hände, sind die Kette, an welche das Wohlsein und Unterhalt gehängt ist. Ihr Gatte wird für Ihr Glück, Sie müssen für seine Ruhe und sein Vergnügen sorgen; und nachdem Sie den Segen der Eltern, wegen getreuer Erfüllung der Pflichten einer guten Tochter, erhalten haben, so muß es Ihr Herz freuen, wenn Sie auch in Zukunft den Segen und das Lob des Gatten, als liebenswerthe Frau erwerben können. –[33]

Eine zärtliche Umarmung endigte diesen kurzen reizenden Unterricht, der für uns alle gut war; denn die zwo Baasen der Mad. G**. waren auch mit da. Das junge Bräutchen schien halb zu lächeln, halb zu weinen. Wir drey älteren aber hatten, glaube ich, das Aussehen, zu wünschen, diese schöne Vorschrift bald ausführen zu können, indem sie uns unfehlbar scheint.[34]

Quelle:
Sophie von La Roche: Rosaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St**. Theil 1–3, Teil 1, Altenburg 1797, S. 30-35.
Lizenz:
Kategorien: