Vierter Auftritt

[123] Herold von dem Lanzknecht gefolgt. Die Vorigen.


HEROLD.

Wen grüß ich hier Franziskus Sickingen?

FRANZ.

Du stehst vor ihm.

HEROLD.

Franziskus Sickingen!

In Kaisers und in Reiches Namen hab ich

Ein doppelt Reichsmandat allhier zu künden

So dir wie deinem Heer.

FRANZ.

So sprich zuerst zum Heer,

Damit du siehst, die Antwort, die dir wird,

Sie stammt, durch mich heraufbeschworen nicht,

Aus dieser freien Männer eigner Brust.


Zum Lanzknecht.


Ruf alle Hauptleut' meines Heers herbei,

Daß jeder höre, was ihn selbst betrifft.


Lanzknecht ab. Pause. Mählich füllt sich die Bühne mit Hauptleuten und Rittern.


EITELFRITZ.

Wir sind versammelt jetzt.

HEROLD.

Ihr Obersten –

FRANZ.

Halt, Herold, noch! Du kömmst sogleich zu Wort.


Er schreitet auf die gegenüberstehende Reihe der Hauptleute zu.


Wo ist mein Jörg von Augsburg?

HAUPTMANN JÖRG vortretend.

Herr!

FRANZ.

Tritt näher.


Er spricht leise mit ihm. Jörg macht eine Verbeugung des Einverständnisses; dann halblaut zu Jörg.


Und ist's so weit, so laß die Hörner schmettern,

Die Kriegsmusik soll mir das Zeichen geben.


Jörg verbeugt sich und geht rasch ab. Franz tritt wieder in die Mitte der Bühne in seine frühere Stellung.


Jetzt, Herold, sprich und künde deinen Auftrag.

HEROLD.

Ihr Grafen, Edle, Ritter, Obersten

Des Heers, das sich vor Trier gelagert hat,

[123] So spricht der Kaiser Karl durch meinen Mund:

Aufruhr, Empörung und Landfriedensbruch

Ist dieser Krieg, in den Euch Franz verstrickt,

Zuwider allen Ordnungen des Reichs,

Der goldnen Bulle und den Satzungen,

Die aufgerichtet Kaisers Majestät.

Darum gebietet Euch der Kaiser, stracks

Heimwärts zu ziehn und in die Scheide wieder

Zu stoßen Euer wutentbranntes Schwert!

– So sei Verzeihung Euch und Huld zuteil.

Wo nicht, trifft Euch des Reiches Achtverdikt,

Ja, nicht nur schwere Pön an Leib und Gut –

Nein, wenn Ihr weiter Franzens Fahnen folgt,

Fällt Euer Haupt – der Kaiser schwört es Euch!


Bewegung unter den Rittern und Hauptleuten.


FRANZ.

Ihr habt gehört, womit Euch Karl bedroht.

EITELFRITZ.

Wir hörten es und halten treu an dir.

ALLE.

Wir folgen Franz! Wir folgen seinem Banner!

EITELFRITZ zum Herold.

Zeuch hin und sage, daß in Franzens Lager

Du Männer nur, nicht Memmen hast gefunden!

ALLE.

Heil Franz! Wir folgen dir bis in den Tod!

HEROLD.

So wend ich mich, Franziskus, nun zu dir!

Der frühern Lieb' erinnert dich der Kaiser;

Du sollst gedenk sein seiner alten Huld,

Sollst unverzüglich rückführen dein Heer,

Das seinen Neffen und sein Stift bedroht.

Wo nicht, so trifft auch dich des Reiches Acht

Und seiner Gnade ernstlicher Verlust.

Doch hast du Fug und rechtliche Beschwer

Wider den Kurfürst, soll das Reichsgericht

Dir nach Gebühr und unverzüglich – Karl

Verbürgt dir's selbst – erweisen volles Recht.

– Dies ist mein Auftrag, wäge ihn im Geist.

Bang harr ich deiner ernsten Antwort, Herr.

FRANZ.

Herold, zieh hin und künde deinem Herrn:

Vorüber ist die Zeit der Worte jetzt,

Und inhaltsschwer klopft der Entscheidung Stunde

Mit eh'rnem Finger an das Tor der Zeit!

In Zuckungen liegt dieses Reich am Boden,

Nicht durch Gesetzesfloskeln mehr wird abgetan

Der Streit, der es bewegt! – Schau dorthin, Herold![124]

Siehst du die Donnerbüchsen, die Kartaunen stehn?

Aus ihren Mündungen schöpft diese Zeit

Ihr ungestümes Recht – ich führe selbst

Das Reichsgericht in meinem Lager mit,

Will eine neue Ordnung machtvoll gründen

Und eines Tuens mich erfrechen, dessen

Kein röm'scher Kaiser je sich unterfing!


Herold wendet sich zum Gehen; in diesem Augenblick erschallt hinter der Szene rauschende Kriegsmusik.


Halt, Herold, nimm zu Ende deine Antwort.

Hörst du die Hörner schmettern und Fanfaren?

Sie rufen uns, ihr Herrn, zum Sturm hinaus!

Statt Kriegsrat diente mir des Herolds Ankunft,

Dem trägen Strom der Zeit Beschleun'gung winkend.

In wen'gen Stunden, Herold, nimmst du mit

Den Gruß, den Franz aus Trier Karl entbietet.


Das Schwert ziehend.


Und jetzt zum Sturm, Ihr Herrn!

ALLE die Schwerter ziehend.

Zum Sturm, zum Sturm!

FRANZ.

Das Feldgeschrei sei Luther und Franziskus!

Die erste Leiter leg ich selber an.

RITTER FRITZ SOMBREFF vortretend.

Nein, Herr! Vergönnt mir, daß ich zahle jetzt

Die schwere Schuld, die meine Brust bedrückt.

Mein sei der ersten Leiter Vorrecht, Herr.

Ich sühne heut, was ich versah; wenn nicht –

So glaubt mir, lebend weich ich nicht zurück.

FRANZ ernst.

Ich bill'ge das, Sombreff. Dein Leben ist

Durch vieler Brüder frühen Tod belastet;

Gehört nicht dir mehr; wirf's zerschmetternd an

An Triers Mauern. Was von beiden bricht –

Es ist Gewinn, sei es für dich, für uns! –

Und nun zum Sturm! Die Sonne neigt sich blutig,

Ihr neuer Strahl treff' uns in Trier an.

ALLE.

Zum Sturm, zum Sturme! Luther und Franziskus!


Alle ab.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 123-125.
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Franz von Sickingen
Franz von Sickingen; a tragedy in five acts (1910)
Franz von Sickingen

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