Achte Szene.


[100] Reichsratssaal. Im Hintergrunde ein Thron – daneben, ebenfalls erhöht, aber niedriger, ein Lehnsessel, worauf Karl Gustav sitzt. Vom Throne zum Proszenium ein offener Gang, zu dessen beiden Seiten die Reichsräte sitzen.

Unter wiederholter Fanfare tritt auf.

Christine in vollem Krönungsornate, die Krone auf dem Haupte. Pagen tragen ihr die Schleppe; Zepter und Reichsapfel werden auf Samtkissen hinter ihr gebracht. Großer Hofstaat folgt ihr. Sie kommt links aus einer vorderen Kulisse und bleibt, nach dem Throne schreitend, vor Graf Brahe stehen, der in der vordersten Reihe dicht am Gange seinen Sitz hat und aufgestanden ist wie sämtlicher Reichsrat beim Eintritt der Königin. Als sie stehen bleibt, um ihn anzureden, schweigt die Trompetenmusik.


CHRISTINE. Gras Peter Brahe, welche Antwort habt Ihr auszurichten auf meinen Bescheid?

BRAHE. Eine Antwort, königliche Majestät, die unsre Herzen mit der Hoffnung stärkt, dieser drohende Tag werde glücklich vorübergehn.

CHRISTINE. Sprecht sie aus!

BRAHE. Euer königlicher Vetter Prinz Karl Gustav verweigert die Annahme der Krone unter Bedingungen, die ihn – seinem Ausdrucke nach – bloß Titularkönig sein ließen.


Pause.


CHRISTINE. Die Antwort ist so brav, wie ich sie gewünscht habe; so muß ein Fürst denken und sprechen, der ein Reich übernehmen soll. Sie geht auf den Thron. Als sie sich niedergelassen, setzt sich auch der Reichsrat. Ihr wißt, des schwedischen Reiches Räte, zu welchem[100] Akte ihr versammelt seid. Was ich am elften Februar euch angekündigt hier in Upsala – heut wird es vollführt: ich lege die Krone nieder, und keine Macht der Erde soll meinen freien Entschluß hindern!


Allgemeine Unruhe. Malström erhebt sich.


MALSTRÖM. Als unsre Väter vor fünfzig Jahren – es war zu Norköping im Jahre 1604 – dem Konige Karl IX. zusicherten, unsre schwedische Krone solle erblich in seinem Hause bleiben, da geschah dies nicht also, und war nicht also gemeint, wie es jetzt ausgeht. Nein, der jedesmalige Thronerbe im Hause Wasa übernahm auch die Verpflichtung, unsere Krone zu tragen bis an seinen Tod, sie wiege ihm leicht, sie wiege ihm schwer, nicht aber: sie wegzugeben, wenn es ihm gefiele und uns nicht!


Allgemeines Murmeln der Zustimmung. »So ist's!« – »Wohl gesprochen!« – »Das ist schwedisch!«.


CHRISTINE winkt mit der Hand. Ihr habt meinen würdigen Vetter Karl Gustav bereits als meinen Nachfolger anerkannt, für den Fall, daß ich stürbe, oder sonstwie schiede – ihr habt in ihm einen neuen, verheißungsvollen König, einen Mann. Er wird mehr vermögen als ein Weib. Ich habe zehn Jahre lang Tage und Nächte und Sorgen auf die Regierung verwendet, ich begehre nichts zum Dank, als daß ihr mich heruntersteigen laßt vom Throne. Meine Bedingungen kennt Karl Gustav, kennt ihr; – neue, die ich ihm heute gemacht, hat er verworfen und mir dadurch ein kostbar Zeugnis abgelegt, er werde seinem Reiche, seiner Macht nichts vergeben, nichts abwendig machen lassen. Des Reiches Kanzler, der vielverdiente Graf Axel Oxenstierna, weigert sich, unsre Abdankung zu verlesen, so verlies du, Freiherr Schering Rosenhane! Sie überreicht ihm eine Pergamentrolle, die sie in der Hand gehalten.

BRAHE. Ich protestiere.

MALSTRÖM. Ich protestiere.

ALLE aufstehend. Wir protestieren, wir protestieren alle.

CHRISTINE. Ihr habt kein Recht dazu!

ALLE. 's ist unser Recht! 's ist schwedisch Recht!

ROSENHANE. Im Namen der Königin, Stille! Er liest. »Ich verzichte für mich und meine Nachkommenschaft auf die Krone Schwedens und trete sie ab an meinen Vetter Karl Gustav. Er hat mir nur das Recht aufrechtzuerhalten über die Besitzungen,[101] welche ich mir zur Apanage ausbedinge: über Stadt und Schloß Norköping in Schweden, die Inseln Öland, Gothland und Ösel, über Wollin und Usedom und Stadt wie Schloß Wolgast an der pommerschen Küste, und über Pöle und Neukloster in Mecklenburg. – Ich muß tun und lassen können, was mir beliebt, und nur dem allmächtigen Gott Rechenschaft schuldig sein; – dafür verspreche ich, nie etwas zum Nachteil Schwedens zu unternehmen. – Ich muß endlich alle Gerichtsbarkeit behalten über meine Tischgenossen und die Leute meines Hauses.«


Große Bewegung in der Versammlung.


CHRISTINE. Graf Peter Brahe! Nimm die Krone von meinem Haupte!

VIELE STIMMEN. Nimmermehr! – Nein, Brahe! – Kein Brahe tut's!

BRAHE. Eh müsse meine Hand verdorren, eh sie die Krone antaste auf meiner Königin Haupt; – muß dies geschehn, wovon mein Auge sich in Tränen abwendet, so kannst du es nur selber tun, o Königin!

CHRISTINE. Wohlan denn! So gescheh's im Namen Gottes. –


Man hört in diesem Augenblicke Schwerterklirren am Eingange, durch den die Königin eingetreten, alles springt auf.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 100-102.
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