Sechste Szene.


[109] Christine. – Die Vorigen.


CHRISTINE. Ich sehe, du bist bei offner Tür gefangen – was heißt das? Wie soll man dich befreien?

MONALDESCHI. Graf Brahe hat zu schließen vergessen.

CHRISTINE. Brahe hat verschlossen, so gut verschlossen, daß er den Schlüssel nicht wieder findet und ich nach dem Hauptschlüssel schicken mußte – wie hängt das alles zusammen? Sprich.

MONALDESCHI. Wie kann ich, der Gefangene, wissen, was draußen vorgeht! Man hat mich gefangen hierher geführt und mir hier kaum Zeit gelassen, im Geiste das neue Schweden zu übersehn.[109]

CHRISTINE. Ja, das neue Schweden! Setzt sich. Wir gehören nun zum alten – es ist geschehn!

MONALDESCHI. Und Eure Majestät fühlen sich nun erleichtert seit die Last eines Königreichs von den Schultern ist?

CHRISTINE. Sprich nicht so kalt und hohl, jetzt, wo ich der Macht entkleidet und des Trostes meiner Freunde mehr als je bedürftig bin.

MONALDESCHI. Des Trostes? Ich meine, Ew. Majestät sehnten sich seit Jahren nach diesem Augenblicke, wie könnte er jetzt ein trostbedürftiger sein?

CHRISTINE. Sprich anders, Monaldeschi! – Als du dein Leben wagend mit blankem Schwerte in den Reichsrat stürztest, da hast du mir besser gefallen als jetzt, obwohl du da gegen meine Majestät freveltest, die du jetzt unaufhörlich im Munde führst. Pause. Es ist geschehn, und jetzt müssen wir eilen. Dies Land hat einen König, du hast den Reichsratsfrieden verletzt, du bist ein Fremder, und in wenig Tagen vielleicht wird es meiner Macht schon schwer, dich zu erretten. Ich will hinaus in die Welt der warmen Sonne, des warmen Glaubens! Wer weiß, wenn ich zögre, ob sie dahier nicht auch diesem lebendigen Wunsche in den Weg treten – dieser Wunsch hat mich am lebhaftesten zur Abdankung gedrängt, und wir müssen eilen, damit ich nicht gar umsonst abgedankt habe. Bis Schering Rosenhane meine Abdankung verlesen hatte, kannte ich die Wucht der Worte nicht, welche ich selbst aufgeschrieben, kaum waren sie verlesen, so fielen sie wie Berge über mich – Monaldeschi, noch im Reichsrate hab' ich die frechsten Dinge gehört, und wir müssen eilen, eilen, um nicht geopfert zu haben ohne Nutz und Frommen – warum sprichst du nicht?

MONALDESCHI. Weil ich nur altklug wiederholen könnte, daß ich das alles Eurer Majestät vorhergesagt, und daß Ihr's jetzt erst hört und glaubt, da es in roher Wirklichkeit erscheint.

CHRISTINE aufspringend. Bist du auch wie die kindischen Freunde, denen mehr darum zu tun ist, recht zu haben, als freundlich und hilfreich zu sein? Umhergehend. Jämmerliche Welt! Nichts bewährt sich, als was in Büchern steht! – Majestät! Majestät! Jetzt wirft er mit Majestät um sich, dieser Mann, der mir so nahe steht, jetzt, da ich der wahrhaften Majestas entkleidet bin – soll ich dich dreisten Gesellen hier deinem Schicksal überlassen? Sylva macht ein Geräusch durch eine Bewegung des Erschreckens. Was war das?[110]

MONALDESCHI. Es seufzt der Boden unter dem zornigen Fußtritte einer Königin –


Pause.


CHRISTINE. Ach, Giulio, du hast recht, es ist weibisch, jetzt zornig zu sein – es ist vorbei! Setzt sich. Meine Bücher, meine Kunstschätze sind gepackt und rollen nach der Küste, wir tun desgleichen, wir wollen nach Rom; Peter Brahe wird mich begleiten und der wunderliche Schnure, dem die Welt untergegangen, weil ich das Herkommen überholt habe, und Malström, der mich tadelt, aber mein Recht liebt, und Brahes Tochter –

MONALDESCHI. Malström? Diesen meinen persönlichsten Feind behalt' ich also gegenüber von einem Ende der Welt bis zum andern?

CHRISTINE. Laß ihn! Er ist brav und tüchtig, und das beschränkte aber gesunde Recht, das er gerade heraus gehend vertritt, übt immer eine gewisse Erquickung auf mich – Sylva tritt hinter dem Rücken der Königin – doch Monaldeschi sichtbar – hervor, als wollte sie die Königin anreden. Erst auf Monaldeschi bittende Pantomime geht sie durch die Tür und wirft diese ins Schloß.

CHRISTINE auffahrend. Heiland der Welt! Sind hier Gespenster, oder Verräter?!

MONALDESCHI an die Tür eilend. Wer da? Die Tür ist ins Schloß geworfen!

CHRISTINE. Von wem?

MONALDESCHI. Wind, oder Gespenst, oder Santinelli, kamt Ihr allein?

CHRISTINE. Allein.

MONALDESCHI. Und Euer Schlüssel?

CHRISTINE. Muß außen im Schlosse stecken –

MONALDESCHI. So seid Ihr mitgefangen!


Pause.


CHRISTINE. Monaldeschi! Gott sei dir gnädig, daß du nicht falsch bist!

MONALDESCHI. Wie, Königin?

CHRISTINE. Folge mir von weitem! – Ich fand ja deine Tür offen und habe den Schlüssel noch – Nach der Tür gehend. mache dich reisefertig, und – Gott sei dir gnädig, daß du nicht falsch bist! Die Tür geht ohne Schlüssel auf – sie geht.


Pause.[111]


MONALDESCHI. Gott sei dir gnädig, törichte kron- und machtlose Königin! Er geht ihr nach.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 109-112.
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