Vierzehnte Szene.


[146] Christine. Monaldeschi.


MONALDESCHI sieht jenen nach; als sie hinweg sind, tritt er rasch an die Königin.

Mit welchem Rechte lässest du mich morden?

CHRISTINE zurückschreckend.

Verwegner! Ist das deine Beichte?

Kennst du diese Briefe?


Während er hineinsieht, fährt sie fort.


Es wird dir volles Delinquentenrecht,

Du siehst, weshalb man dich verurteilt,

Schamloser Betrüger! der nackt und arm

An meine Knie sich drängte in Schweden,

Und mit täuschendem Geiste mir vorgespiegelt,

Er werde eine tröstende Leuchte mir sein

Durch das unsichre Leben!

Den ich erhob und hielt und beschützte

Gegen die ganze Welt, die ihn haßte,

Was verlor ich um dich! Was litt ich um dich!

Die getreusten Freunde verstieß ich,

Weil sie dich nicht mochten![146]

Die getreusten Freunde verließ ich,

Weil sie dir nicht gefielen,

Und du, für alles das, gingst hin,

Verrietst mich einmal, zweimal, dreimal,

Und einmal mehr als – nein – und deshalb, Schurke,

Und deshalb stirbst du, stirbst du heut und hier.


Pause.


Wo bleibt des frechen Sinns Erwidrung,

Die anzuhören ich herabgestiegen?

MONALDESCHI.

Königin, ich hab' nichts zu erwidern.

Auf solche Anschauung ist nichts zu sagen,

Und da du Mörderhänden gebietest,

Und ich in deiner Macht, so unterlieg' ich.

Vor einer Viertelstunde konnt' ich fliehn,

Ich kannte deine grimme Absicht schon,

Und ich floh nicht!

CHRISTINE.

Du eitler Tor!

MONALDESCHI.

Ganz recht! Ich dachte deinen Geist, und dachte

Unser Verhältnis höher mir, und weiter –

's war eitler Wahn, der mich das Leben kostet!

Wenn eine Königin die Krone opfert

Mit kaltem Blut, so darf man glauben,

Es sei die Welt ihr nicht erschöpft

Im Herrschen und Dienen,

So muß man glauben, es sei ein Mann,

Dem sie ihr herzlichstes Vertrauen weiht,

Dem Kreise entrückt, wo man zahlt oder straft –

So war es nicht! Den Vorteil der Herrschaft

Gabst du dahin, und die freie Seele,

Die menschlich frei mit Menschen verkehrt,

Die Menschen achtet, auch wo sie zürnt,

Die freie Seele gewannst du nicht!

So laß mich sprechen in deiner Weise:

Den kräftigsten Teil meines Lebens

Hab' ich verbracht und verloren

An deiner Seite, was ward mir dafür?

Die Welt stand mir offen, als ich dich suchte,

Ein vielbegabter kühner Abenteurer!

Ich suchte Raum zum Wirken und zum Schaffen,[147]

Und wählte dich und deinen Wirkungskreis,

Nicht dieses Frankreich, wo mein Landsmann herrscht,

Der mir ein weites Feld für Taten bot,

Ich wählte dich, weil dich Europa rühmte

Als seltenen Verein von Geistesgaben,

Weil ich den Genius des Unternehmens

Bei dir gesichert und gefördert glaubte.

Was fand ich? Überdruß am Handeln,

Weichlichen Wissensplunder, der am Ende

Zu sein glaubt, wenn er fragt und weiß,

Und der zu glauben lechzet statt zu harren,

Wo ihm die Wissenschaft nicht weiter hilft!

Ein Thronentsagen fand ich, ein Umherziehn

In hohler Eitelkeit, ein Abenteuern

Ganz ohne Halt und Ziel, das fand ich. Wahrlich,

Viel reicher war ich, eh' ich dich gefunden,

Und dir vergeudet hab' ich schöne Jahre,

Und dir geopfert hab' ich welch ein Leben!

Von Kraft und Plänen strotzend – und das Ende

Von all der Herrlichkeit, die du gewährt,

Gewalt'ge Königin? Es ist das Los,

Das einen jämmerlichen Sklaven

In einem türkischen Serail erwartet!

CHRISTINE.

Bist du zu Ende?

MONALDESCHI.

Ja, ich bin's.

CHRISTINE.

So fahre wohl! –

MONALDESCHI ihr zu Füßen fallend.

Halt ein! Laß mir das Leben!

Laß mir das Leben! Ach, es ist so süß!

Und wär's bloß Atmen, Sehen und Verlangen!

CHRISTINE.

Ich kann es nicht – du hast die tiefste Seele

Zu schreiendem Hasse mir aufgestört!

Du darfst nicht leben – fahre wohl!

MONALDESCHI springt auf und zieht den Degen.

Wohlan!

Hier gilt's! Leben um Leben! Weich' oder stirb!

CHRISTINE.

Verwegner, ich rufe –

MONALDESCHI.

Der Ruf ist dein Tod!

Tritt abwärts von der Tür! Die Tür ist mein!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 146-148.
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Monaldeschi
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