[146] Christine. Monaldeschi.
MONALDESCHI sieht jenen nach; als sie hinweg sind, tritt er rasch an die Königin.
Mit welchem Rechte lässest du mich morden?
CHRISTINE zurückschreckend.
Verwegner! Ist das deine Beichte?
Kennst du diese Briefe?
Während er hineinsieht, fährt sie fort.
Es wird dir volles Delinquentenrecht,
Du siehst, weshalb man dich verurteilt,
Schamloser Betrüger! der nackt und arm
An meine Knie sich drängte in Schweden,
Und mit täuschendem Geiste mir vorgespiegelt,
Er werde eine tröstende Leuchte mir sein
Durch das unsichre Leben!
Den ich erhob und hielt und beschützte
Gegen die ganze Welt, die ihn haßte,
Was verlor ich um dich! Was litt ich um dich!
Die getreusten Freunde verstieß ich,
Weil sie dich nicht mochten![146]
Die getreusten Freunde verließ ich,
Weil sie dir nicht gefielen,
Und du, für alles das, gingst hin,
Verrietst mich einmal, zweimal, dreimal,
Und einmal mehr als – nein – und deshalb, Schurke,
Und deshalb stirbst du, stirbst du heut und hier.
Pause.
Wo bleibt des frechen Sinns Erwidrung,
Die anzuhören ich herabgestiegen?
MONALDESCHI.
Königin, ich hab' nichts zu erwidern.
Auf solche Anschauung ist nichts zu sagen,
Und da du Mörderhänden gebietest,
Und ich in deiner Macht, so unterlieg' ich.
Vor einer Viertelstunde konnt' ich fliehn,
Ich kannte deine grimme Absicht schon,
Und ich floh nicht!
CHRISTINE.
Du eitler Tor!
MONALDESCHI.
Ganz recht! Ich dachte deinen Geist, und dachte
Unser Verhältnis höher mir, und weiter –
's war eitler Wahn, der mich das Leben kostet!
Wenn eine Königin die Krone opfert
Mit kaltem Blut, so darf man glauben,
Es sei die Welt ihr nicht erschöpft
Im Herrschen und Dienen,
So muß man glauben, es sei ein Mann,
Dem sie ihr herzlichstes Vertrauen weiht,
Dem Kreise entrückt, wo man zahlt oder straft –
So war es nicht! Den Vorteil der Herrschaft
Gabst du dahin, und die freie Seele,
Die menschlich frei mit Menschen verkehrt,
Die Menschen achtet, auch wo sie zürnt,
Die freie Seele gewannst du nicht!
So laß mich sprechen in deiner Weise:
Den kräftigsten Teil meines Lebens
Hab' ich verbracht und verloren
An deiner Seite, was ward mir dafür?
Die Welt stand mir offen, als ich dich suchte,
Ein vielbegabter kühner Abenteurer!
Ich suchte Raum zum Wirken und zum Schaffen,[147]
Und wählte dich und deinen Wirkungskreis,
Nicht dieses Frankreich, wo mein Landsmann herrscht,
Der mir ein weites Feld für Taten bot,
Ich wählte dich, weil dich Europa rühmte
Als seltenen Verein von Geistesgaben,
Weil ich den Genius des Unternehmens
Bei dir gesichert und gefördert glaubte.
Was fand ich? Überdruß am Handeln,
Weichlichen Wissensplunder, der am Ende
Zu sein glaubt, wenn er fragt und weiß,
Und der zu glauben lechzet statt zu harren,
Wo ihm die Wissenschaft nicht weiter hilft!
Ein Thronentsagen fand ich, ein Umherziehn
In hohler Eitelkeit, ein Abenteuern
Ganz ohne Halt und Ziel, das fand ich. Wahrlich,
Viel reicher war ich, eh' ich dich gefunden,
Und dir vergeudet hab' ich schöne Jahre,
Und dir geopfert hab' ich welch ein Leben!
Von Kraft und Plänen strotzend – und das Ende
Von all der Herrlichkeit, die du gewährt,
Gewalt'ge Königin? Es ist das Los,
Das einen jämmerlichen Sklaven
In einem türkischen Serail erwartet!
CHRISTINE.
Bist du zu Ende?
MONALDESCHI.
Ja, ich bin's.
CHRISTINE.
So fahre wohl! –
MONALDESCHI ihr zu Füßen fallend.
Halt ein! Laß mir das Leben!
Laß mir das Leben! Ach, es ist so süß!
Und wär's bloß Atmen, Sehen und Verlangen!
CHRISTINE.
Ich kann es nicht – du hast die tiefste Seele
Zu schreiendem Hasse mir aufgestört!
Du darfst nicht leben – fahre wohl!
MONALDESCHI springt auf und zieht den Degen.
Wohlan!
Hier gilt's! Leben um Leben! Weich' oder stirb!
CHRISTINE.
Verwegner, ich rufe –
MONALDESCHI.
Der Ruf ist dein Tod!
Tritt abwärts von der Tür! Die Tür ist mein!
Ausgewählte Ausgaben von
Monaldeschi
|
Buchempfehlung
Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.
50 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro