Erste Szene.


[147] Das Theater bleibt eine Weile leer, und man hört vom Schloßhofe herauf lang gezogene Jagdhörnersignale. Nachdem diese in kurzen Pausen zweimal wiederholt worden sind, erscheint von links1 hinter den Pfeilern denn links und rechts hinter den Pfeilern werden offene Gänge vorausgesetzt Guldberg und bald darauf von rechts hinter den Pfeilern Graf Ranzau.


GULDBERG nachdem er einen Augenblick unter dem Bogen stehen geblieben ist und rückwärts nach der Glastür hinaufgesehen hat, tritt er an den Tisch, welcher links vom Zuschauer und so steht, daß die Seitentür hinter ihm noch völlig offenen[147] und sichtbaren Eintritt gewähren kann. Auf diesem Tische ist das Schachspiel. Er stellt es auf, während das Hörnersignal sich wiederholt, und.

GRAF RANZAU hinten auftritt, und ebenfalls nach der Glastür hinausblickt, ehe er Miene macht, einzutreten.

GULDBERG ihn gewahrend und ihm entgegen schreitend. Ah, der gnädigste Herr Graf also wirklich in Kopenhagen zurück! Es sei mir gestattet, ihn lebhafter noch als pflichtschuldig willkommen zu heißen.

RANZAU. Ich danke, Herr Guldberg. Es ist mir wirklich, als sei ich erstaunlich lange entfernt gewesen, denn ich finde mich nicht mehr zurecht, so verändert ist alles. Was bedeuten diese Hörnerrufe aus dem Schloßhofe?

GULDBERG. Die Jagd ist bereit für Ihre Majestät die Frau Königin.

RANZAU. Die Frau Königin jagt?

GULDBERG. Zu Pferde! Ein prächtiger Anblick auf englischen Rossen, die in Dänemark neumodisch sind. Graf Struensee findet, daß diese Leibesbewegung der Gesundheit und der Gesichtsfarbe zuträglich sei.

RANZAU eintretend. Und der König?

GULDBERG. Seine Majestät der König spielen unterdessen Schach.

RANZAU. Er begleitet sie nicht?

GULDBERG. Nein, das tun die jungen Herrn vom Hofe und Graf Struensee, da die Frau Oberhofmeisterin nicht reiten kann.

RANZAU. So?

GULDBERG sich verbeugend. Der Herr Graf werden es in der Christiansburg viel heitrer finden, als es ehedem war. Man hat keine Vorurteile mehr, und alle Pedanterie ist verschwunden.

RANZAU. Pedanterie?

GULDBERG. Das ist der neue Ausdruck für das, was man sonst Etikette nannte.

RANZAU. So? – Dahin gehört wohl auch die Umwandlung dieses alten Empfangsaales, der jetzt wie ein Gesellschaftszimmer aussieht?

GULDBERG. Zu Befehl, Herr Graf! Wir nennen das Reformen. Die hohen Herrschaften, deren Zimmer hier zusammentreffen, sehen sich solcherweise mit Leichtigkeit, und sind in leichterer Verbindung mit der Nation, da die Schloßtreppe unmittelbar hier heraufführt. Graf Struensee sagt, dies sei der Weg zur Popularität. Will man[148] unbeobachtet sein, so schließt man nur den Vorhang und erreicht damit eine bloß repräsentative Trennung.

RANZAU. Ich verstehe diesen Jargon nicht, Guldberg.

GULDBERG. Bedaure sehr. Des Herrn Grafen mächtiger Schüler, Graf Struensee, wird ihn Euer Gnaden wohl verständlich machen. Jedenfalls ist das Resultat ein allgemeines Wohlbefinden.

RANZAU. Also auch des Königs Zustand hat sich gebessert?

GULDBERG. Der Zustand? Der Herr Graf meinen den Kopfschmerz und die Zerstreutheit?

RANZAU. Nun?

GULDBERG. Diese Übelstände sind wohl noch vorhanden, aber Seine Majestät spielen mit großer Geistesgegenwart Schach, und Graf Struensee meint, die völlige Heilung werde nicht ausbleiben. Unterdes ist Prediger Lorenz von rechts hinten eingetreten.

RANZAU. Wer ist der Mann?

GULDBERG. Habe nicht die Ehre. Das kommt wohl vor bei unsrer Popularität. – Während er dies sagt und auf den Prediger zugeht, kommt Obrist von Köller durch die Glastür herein. Sie bleibt geöffnet und wird von Trabanten besetzt; er selbst steigt herab und nähert sich dem Grafen Ranzau unter Verbeugung. Dies geschieht so rasch nebeneinander, daß er vor diesem steht, als Guldberg hinten zum Prediger tritt.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 147-149.
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