1. Auftritt

[64] Ida. Franziska durch die Mitte. Dann Ulrike. Behaglich eingerichtetes Wohnzimmer auf dem Landgut Klapproths. Rechts und links je zwei Seitentüren. Haupteingang durch die Mitte.


FRANZISKA. Und du wirst sehen, Ida, wir beide bleiben gewiß und wahrhaftig sitzen, ohne Gnade und Barmherzigkeit bleiben wir sitzen.

IDA. Ja, das ist leicht möglich!

FRANZISKA. Ein anderer Fall ist gar nicht denkbar, wenn wir immer und ewig uns auf diesem einsamen Landgut aufhalten müssen, und höchstens alle paar Wochen einmal auf einen Sprung nach Berlin fahren, um Einkäufe zu machen.

ULRIKE durch die Mitte. Worüber bist du denn so erzürnt, Fränzchen?

FRANZISKA. Ach, über die alte leidige Geschichte, daß wir hier versauern und vertrauern müssen. Aber das sage ich Euch, noch heute, ja gleich auf der Stelle gehe ich zum Onkel und bitte ihn, dies langweilige Gut zu verkaufen und mit uns in eine große Stadt zu ziehen.

ULRIKE. Um des Himmels willen, liebes Kind, dazu wäre der[64] Zeitpunkt so schlecht wie möglich gewählt. Alles, nur jetzt den Onkel in Ruhe lassen.

FRANZISKA. Warum denn?

ULRIKE. Ja, ist Euch denn gar nicht das sonderbare Benehmen des Onkels aufgefallen, seitdem er von Berlin zurück ist? Habt Ihr nicht bemerkt, wie furchtbar zerstreut er seit dieser Zeit ist?

FRANZISKA. Freilich! Es scheint ihm etwas außerordentlich Wichtige im Kopf herumzugehen. Eine Unterhaltung ist fast gar nicht mehr möglich mit ihm, denn man sieht ihm an, daß er auf das, was man spricht, gar nicht acht gibt, dann lächelt er ohne sichtbaren Grund vor sich hin und murmelt etwas Unverständliches in den Bart.

ULRIKE. Ja, 's ist merkwürdig. Mich hat er nun schon einige Male »Unrike« genannt und ist jedesmal darauf in ein so schallendes Gelächter ausgebrochen, daß ich wahrhaft erschrocken bin.

IDA. Und wißt Ihr, was er gestern zu mir sagte, als ich ihm klagte, ich hätte mich erkältet und sei so heiser, daß ich gar nicht laut sprechen könne?

ULRIKE UND FRANZISKA. Nun?

IDA. Nimm Kieselsteine in den Mund und gehe am Meeresufer spazieren, das stärkt die Stimme, meinte er, und lachte unbändig, als hätte er den besten Witz gemacht.


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 64-65.
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