40. Von des Menschen erhabenem Angesicht.

[239] Bey den Griechen heisset ein Mensch ἄνϑρωπος, ist so viel gesagt / als der sein Haupt in die Höhe hebet (ἄνω, sursum, τρέπων vertens, ἄπα faciem.) Dahero Plato, wie er gefraget ward / warum er die Augen hätte / und das Haupt nach dem Himmel gekehret? Antwortete: Daß ich den Himmel anschauen will. Ob nun wol das zum Theil wahr ist / wann man den Menschen gegen die vierfüßigen Thiere hält / so ist doch das auch wahr / wo ein Mensch nicht will[239] mit der Nasen im Dreck liegen / so muß er in seinem Gehen eben so wol / als ein Hund / Katze oder ander Thier die Augen nach der Erden kehren. Als der weise Mann Thales nach den Sternen sahe / und unterdessen im Fortgehen in einen Brunnen fiel / da ward er von einer alten Vettel ausgelachet / mit diesen Worten: Du wilst wissen / was im Himmel ist / und siehest doch nicht / was dir allernechst für den Füssen lieget.

Daß der Mensch allein solte diesen Vorzug haben /und das Haupt empor nach dem Himmel erheben /solches widerlegen mit ihren Exempeln viel Vögel /welche nicht allein aufrecht mit den Köpffen / wie die Menschen / gehen / sondern auch vielmehr in die Höhe und in die Lufft schauen / daß sie sich für ihren Feinden destobesser fürsehen und hüten. Wer hieran zweiffelt / der schaue seinen Hauß-Hahn an / wie derselbe mit ausgestrecktem Halse / und aufgerichtetem Haupte einher tritt. Gleichermassen ists auch falsch /daß der Adler allein mit klaren Augen in die Sonne siehet. Solches thun eben so wol die Stieglitzen / die Kraniche / die Papagoyen / und dergleichen Vögel mehr / wann sie ruhen und sich in der Sonnen Strahlen ausstrecken.


Hebet eure Häupter auf / und gedencket / daß sich eure Erlösung nahet. Trachtet nach dem das droben ist / etc.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 239-240.
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