71. Was man zu unserer Zeit für Dinge im Himmel erfunden.

[297] Der grosse Spottvogel / doch sehr gelehrte Mann / Lucianus, hat zwey Büchlein geschrieben von wahrhafftigen Lügen / darinnen er vermeldet / wie er durch die Lufft gesegelt / und endlich an den Mond und andere Sternen mit Schiffen angelanget / allda er viel Ebentheuers und Wunderdings gesehen / und zwar /daß die Sonne / Mond und andere Sternen / ebenmäßig von Menschen und Thieren bewohnet wären als die Erde; Insonderheit aber habe er im Monden gefunden Vögel / welche an statt der Federn Kohl-Blätter hätten; Flöhe grösser als 12. Elephanten / Spinnen /deren eine dicker / als die Cycladischen Insuln / welche ein Geweb gesponnen / zwischen dem Mond und dem Morgenstern / darauf ein Kriegsheer von viel hundert 1000. gemustert und Schlacht gehalten. Berichtet auch / daß die Einwohner des Mondes nicht von Frauen / sondern von Männern / hinten aus den Beinen gebohren würden. Daß die Leute allda haben offene Bäuche / inwendig mit Haar bewachsen / die sie auf- und zuschnüren / wie die Beutel / hinein legen und heraus ziehen / was ihnen gelüstet: Haben Augen / die sie können ausnehmen / in die Tasche stecken /[297] und wiederum einsetzen: Ohren aus Holtz gemacht. Daß allda sey ein tieffer Brunn / über welchem stehe ein Spiegel / darinnen man alles sehen (ja auch hören) kan / was hierunten auf der Erden geschiehet. Daß man allda keine andere Kleider gebrauche / als von Glaß gemacht. Solche und dergleichen Wunderdinge hat Lucianus erdichtet / Kurzweil halber / und im Eingang der Historien frey heraus gesagt: Er wolte nichts anders schreiben / als warhafftige Lügen /denen niemand solte Glauben geben. Diß Mährlein stelle sich an seinen Ort. Heute zu Tage / und vor wenig Jahren / hat man durch Mittel des neuerdachten Instruments / im Himmel erfunden und observiret solche neue und seltzame Wunderdinge / davon die Alten nichts gewust / welche / so sie Lucianus solte erzehlen hören / Zweiffels ohne seinen warhafftigen Lügen gleich halten würde. Dennoch sinds keine erdichtete Fratzen / sondern warhafftige und unfehlbare Dinge. Es seynd noch nicht viel Jahre / daß die Italiäner erdacht und erfunden ein kunstreiches Instrument /Tubus Opticus genannt / dadurch zwar die Gestalt /Farben und dergleichen natürliche Qualitäten eines Dinges / wie sie an sich selber seyn / gesehen werden / aber die Grösse und die Nähe / etliche zwantzig ja hundertmal vermehret und vergrössert wird: Also daß ein Ding scheinet nahe bey den Füssen zu seyn / daß viel Meilweges abgelegen / und welches so groß wie ein Apffel / einem grösser fürkömmt als ein Backofen. Durch dergleichen Instrument hat man zu unserer Zeit erfahren / und klärlich gesehen: Erstlich / daß die Ungleichheit des Lichts im Mond / oder die Flecken (davon die Alten viel Disputirens gemacht / was es doch wäre) nichts[298] anders seynd als Berge und Thale / erhobene Spitzen und tieffe Abgründe / oder /wie Kepler schreibet / Wasser und Land. Was erhoben ausstehet / scheinet hell und licht: Was niedrig und gleichsam im Thale lieget / scheinet etwas dunckeler: Gleichermassen wie allhie auf der Erden / die Spitzen der Berge hell und klar herfür leuchten / die Thäler aber finster seynd. Mit kurtzen / der Mond ist zwar rund / aber mit Bergen und Thälern / mit Wasser und Land nicht weniger unterschieden / als der Erdenkreiß.

Ferner hat man befunden / daß die Venus, welche ist der Morgen- und Abend-Stern / in ihrem Schein eben so ab- und zunimmet / wie der Mond / bißweilen voll / bißweilen halb / so höckericht / so hörnicht / so gantz unsichtbar ist.

Darbeneben hat man auch observiret unterschiedliche neue Planeten / welche um den Jovis-Stern / als Trabanten / herlauffen / hat man sie genennet Sidera Medicea, zu Ehren der Italiänischen Fürsten dieses Geschlechts und Rahmens. Summa / es seyn nun nicht mehr sieben Planeten / sondern eilff an der Zahl /diese vier neue mitgerechnet.

An der Sonnen seynd gemercket und gespüret / (ob wol durch andere Mittel und Wege) zwey Wunder-Dinge. Erstlich / daß sie nicht Kugelrund / wie sie scheinet / sondern länglicht / gestalt wie ein Ey / welche Figur genennet wird Ellipsis, und von den Mahlern Oval. Zum andern / daß die Sonne nicht rein und klar / sondern mit vielen unterschiedlichen Flecken hin und wieder besprenget.

Endlich ist auch augenscheinlich befunden / daß die Jacobs- oder Milchstrassen am Himmel / (ist ein[299] weisser breiter Streich / quer über den Himmel sich erstreckend / nicht sey irgendwo eine Wolcke im höchsten Theile der Lufft / wie die Alten geträumet /sondern eine unzehliche Menge kleiner Fixsternen /welche einen solchen dunckeln und vermischten Milchschein von sich geben. Zweiffels ohne wie GOtt der HErr dem Abraham befahl / er solte gen Himmel sehen / und schauen ob er die Sternen zehlen könte /hat er ihm die Augen geöffnet / daß er die unaussprechliche Anzahl Sternen eigentlich sehen können. Sonsten ist den Astronomis nicht neu / die andern gewöhnlichen Sternen nicht allein zu zehlen / sonder sie lehren auch / daß ihrer nicht mehr gefunden werden /als etwa 1022. ohne diejenigen / welche man neulich um den Südpol gespüret und observiret.


Man siehet grosse Wunderdinge an dem Himmel / ein Tag sagts den andern / und eine Nacht thut es kund der andern.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 297-300.
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