12. Sein eigen Unheil nicht verschweigen können.

[374] Daß mancher / was er gedenckt / oder schon begangen hat / nicht verschweigen kan / sondern andern unbedachtsam offenbahret / bringet ihn offtmahls in Leib-und Lebens-Gefahr / da er / wann er hätte heimlich halten können / in gutem Wohlstande blieben wäre. Diese folgend Geschicht vom Plutarcho im Büchlein von der Plauderey aufgezeichnet werden solches bekräfftigen und wahr machen:

1. Die Stadt Rom war durch des Neronis Tyranney ins äusserste Elend gesetzet. So war es beschlossen /daß man diesen Unholden solte aus dem Wege räumen. Darzu auch einer bestellt / der die Hand anlegen / und ihm den Rest geben solte: Eine Nacht war nur dazwischen / daß es geschehen solte / da kömmt der[374] zum Todschlag bestellete des Tages zuvor auf den Marckt / siehet einen aus Befehl des Neronis gebunden zum Tode führen: Kan nicht schweigen: Bläset dem Gefangenen heimlich ins Ohr / er solte zusehen /daß dieser Tag nur fürüber paßirte: Morgen solls wohl anders mit ihm werden. Der Gebundene dachte sein Leben zu retten / offenbahret dem Neroni des andern heimliche Wort: Nero lässet denselben greiffen /fragt nach / und verschaffet / daß der Schwätzer gepeiniget ward / der bekannte endlich / was er wäre zu thun gesinnet gewesen. Darum er dann auch greulich gemartert / und elendiglich hingerichtet worden. Hätte dieser geschwiegen / er wäre wohl geblieben.

2. Käyser Augustus hatte einen guten Freund / Fulvium genannt: Dem klagte er sein Elend / daß er nemlich in seinem Alter ohne Erben abgehen müste / und nicht mehr übrig hatte als seinen Posthum, der doch der Stadt verwiesen war. Doch offenbahret er dem Fulvio, wäre er gesinnet und entschlossen / den Posthum wieder nach Rom zu fordern / und ihm das Regiment zu übergeben. Fulvius kommt nach Hauß: Offenbahret seiner Frauen des Käysers Meynung: Diese nicht faul / gehet bald hin zur Livia Augusti Weib /(welche ihren eigenen Sohn hatte / des Augusti Stieff-Sohn / dem sie gern das Regiment gönnete /) und erzehlet ihr / was sie gehöret: Livia fähet mit ihren Herrn dem Augusto an zu keiffen und zu schelten /und gebährdet sich gar übel. Des andern Morgens kommt Fulvius zum Augusto, spricht nach seiner Gewohnheit / GOtt grüsse dich Käyser! Augustus antwortet: Gute Weile / gehab dich wohl / Fulvi. Wie er solches gehöret / ist er schleunig nach Hause gangen /[375] hat sein Weib zu sich gefordert / und ihr gesagt: Dar Käyser weiß und hat erfahren / daß ich seine Heimlichkeit nicht habe verschwiegen: Darum bald ein Messer her / daß ich mich ersteche und sterbe. Das Weib antwortet: Billich und recht / mein Mann / hast du so viel Jahr mit mir gelebet / und noch nicht gelernet / dich für meiner ungehaltenen Zunge zu hüten? Laß mich aber ehe sterben dann du. Damit sie ein Schwerdt gezücket und sich erstochen / und der Mann bald ingleichen nach ihr. Also sind diese beyde Eheleute durch ihre eigene Wäscherey ums Leben kommen.

3. Zu Lacedæmon ward von zween Dieben der Palladis Tempel bestohlen: Wie nun die Bürger häuffig dahin gelauffen kamen / fand man eine ledige Flasche daselbst liegen. Bald hub sich ein Getümmel an /und wollte ein jeder gern wissen / was die leere Flasche bedeute: Da trat unter dem Hauffen einer herfür /und sagte: Ihr guten Brüder / wann ihr vernehmen wollet / was mir ohngefehr einfällt von dieser Flaschen / will ichs euch sagen: Mich deucht / daß die Kirchenräuber / ehe sie diese gefährliche That angegangen / haben Schirlings-Safft getruncken / und in dieser Flaschen Wein gehabt / zu dem Ende / daß /dafern sie betroffen würden auf frischer That / sie alsbald von dem Gifft stürben. Wo sie aber ledig und unangefochten davon kämen / sie alsdann den Wein austrincken / und ihnen also der Gifft keinen Schaden thäte: (Dann der Wein dem Schirling seine Krafft benimmt.) Diese Rede ist den Umstehenden verdächtig vorkommen: Haben derowegen dem Menschen schärffer zugesetzet / und ihn dermassen ausgefraget / daß er endlich selber bekennet / er wäre der Dieb / der das also begangen hätte.


[376] Das mag wohl heissen: Schweigen bringet niemand Schad; Reden manchen getödtet hat.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 374-377.
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