25. Inbrünstige Liebe zwischen [397] Hero und Leander.

Zwischen Europa und Asia ist ein Arm oder enger Ausgang des Meers / nahe bey Constantinopel / welchen die Griechen nennen Bosphorum Thracicum, das ist / ein Ochsfurte / oder so eine enge Seehaffe /darüber ein Ochse genaulich schwimmen kan / vom Lande Thracia gelegen. Auf der einen Seiten dieses Wassers Hellesponti, war eine Stadt / genant, Sestos. Auf der andern / gegen über / die Stadt Abydo. In Abydo wohnete ein edler schöner Jüngling / mit Namen Leander: In Sesto aber war eine Jungfrau /mit überaus grosser Schönheit / und andern Tugenden gezieret / Hero geheissen. Diese beyde jungen Menschen haben einander dermassen und so inbrünstig lieb gewonnen / daß / wann eines das andere nicht hat sehen noch in Gespräch bringen können / sie für Schmertzen[397] und Leid verschmachtet: Die öffentliche bequeme Zusammenkunfft war ihnen verboten / angesehen / das Meer sie voneinander scheidete. Die Liebe aber fand auch allhier Rath und schaffete That. Leander, ein behertzter und starcker Jüngling / gieng des späten Abends ans Ufer des Meers / zog seine Kleider aus / und gezwungen von Liebe / schwumme er über die See nach seiner Liebsten Hero, welche dann /ihrem Buhler den Weg zu zeigen / ein Feuer / oder etliche Lichter auf einem hohen Thurn an ihrer Seiten des Meers ansteckte / darbey Leander mercken und erkennen konte / wo er hinschwimmen solte. Diß trieben sie eine geraume Zeit. Es geschähe aber auf eine Nacht / daß eben der Leander in der See schwamm /und zu seiner Hero hinüber wolte / ein schrecklich groß Ungewitter / mit Sturm / Regen Donner und Blitz sich erzeugete / dadurch Leander so abgemattet / daß er seine Schwimm-Reise nicht vollbringen konte / sondern von den Wellen des Meers untergedruckt und ersäufft wurde. Hero wartet auf ihrer Seiten mit Schmertzen: Es kam aber niemand. Des andern Tages hatte das Meer des Leanders todten Cörper ans Ufer geschlagen und ausgespyen. Solches wird die Hero bald gewahr / kennet ihn / fällt auf ihn mit Seuffzen /Weinen / Schreyen und Klagen. Steigt alsbald auf ihren hohen Thurn / stürtzet sich unbesonnen und gleich rasend herunter in das Meer / und leistet also ihrem Leandro im Tode Gesellschafft. Diese Geschicht hat der Griechische Poet Musæus nach der Länge mit schönen Versen beschrieben / und aus demselben Ovidius seine zwey Send-Brieffe / der Hero an Leandrum, und Leandri an Hero, meistentheils genommen.


[398] Abermahl ein merckliches Exempel der unbesonnenen leichtfertigen Liebe / daran sich ehrliche Jungfrauen und Gesellen zu spiegeln / und für gleichem Unfall zu hüten haben.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 397-399.
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