31. Daß Menschen und Thier aus dieser unser alten Welt zu Fusse und über Land in Americam gegangen.

[408] Dieser einige Weg ist noch übrig / der dann ungezweiffelt richtig / und der Wahrheit gemäß ist: So dürffen wir uns nicht groß bekümmern um die See /weil es unmüglich / daß darüber vierfüssige Thiere haben paßiren können. Nun ist aber die Frage / weil wir es dafür halten / daß Menschen und Viehe / nachdem sich die Geschlechter auf Erden vermehret / nach der Sündfluth aus dieser Welt zu Lande / und über das Erdreich / ihnen einen Weg gesucht / und also in Americam fortgezogen / an welchem Ort dann solcher Uberzug geschehen? Nirgends anderswo als nach dem Norden / da sich Europa und ein Theil Asia nach dem Pol erstrecket / allda vermuthlich und unzweiffentlich die neue Welt mit der Unserigen alten zusammen stösset / und aus der einen in die andere der Paß oder Gang offen stehet / oder ja auch durch eine geringe Fahrt / darüber die Thiere leichtlich schwimmen können / beyde von einander abgesondert sind. Ich bekenne es / daß mans gar eigentlich und so genau noch nicht erfahren hat: Dannoch bezeugen die Schiffer /wie auch die gelehrten und erfahrnen Leute / daß das Land Florida, (äusserstes Nordisches Theil America) der äussersten Spitzen Europa ganz nahe / wie dann auch nicht ferne von neu Franckreich. Alle Geographi stimmen einhelliglich dahin / daß die neue Welt beym Norden an dieser alten Welt hanget, und angefüget sey: Welches / da es sich also verhält / ist der Weg schon erfunden / dadurch die lebendigen Seelen trocknes Fusses aus der alten in die neue Welt haben kommen können / nicht zwar auf einmal / oder in einem Jahre ist solches von so vielen Tausenden geschehen /sondern nach und nach / und zu unterschiedlichen[409] Zeiten: Anfänglich seynd die Unserigen gezwungen /andere Oerter zu suchen: Oder vielleicht irgend mählich ins Land hinein gezogen / sich von den andern abgesondert / und durch Langheit der Zeit vermehret: Wie dann auch gleichfalls die Thiere / welche ohn das in der Irre gehen / und sich von den Leuten abgeben: Biß endlich die gantze neue Welt voller Menschen und Thiere worden. Ich komme auch ferner zu den Gedancken und halte es dafür / die neue Welt sey nicht viel über tausend Jahr bewohnet gewesen / und seyen die ersten Einwohner mehr den tummen Bestien / als Menschen zu vergleichen gewesen: Inmassen sie anfänglich zufrieden gewest mit dem blossen Lande /um Gesetz / Gottesdienst und Erbarkeit aber sich nicht viel bekümmert / sondern nur nach ihrem angebohrnen natürlichen Recht gelebet. Ob sie schon aus Oertern gekommen / da Policey-Ordnung / Tugend und Kunst im Gebrauch gewesen / so kans doch seyn / daß durch Langheit der Zeit solches alles in Vergeß gerathen / und was sie zuvor gewust / aus der Acht kommen. Solches ist daraus zu schliessen / daß wie Columbus erstmahls / und hernacher andere Portugiesen dahin kommen / die Einwohner gemeynt / sie wären Götter aus dem Himmel kommen / inmassen sie ihnen nichts von GOtt noch alten Geschichten /noch Recht oder Tugend zu antworten wusten / sie seynd umher gelauffen / wie die unvernünfftigen Thiere; Haben Gold / Perlen und Edelgesteine nicht groß geachtet / auch mit grober Speise sich beholffen. Summa / sie sind zu vergleichen gewesen gegen die Spanier oder Niederländer / als ein grober Bauer gegen einen Politischen Höfling.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 408-410.
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