1. Des [1] Papyrii, eines Römischen Knabens /Spitzfündigkeit und Verschwiegenheit.

Aulus Gellius hatte eine lustige Historiam genommen aus des Marci Catonis Orationen einer / und dieselbe erzehlet auf folgende Art:

Bey den alten Römern ist eine Gewohnheit gewesen / daß die Rathsherrn / wann sie ins Rathhauß gegangen / ihre jungen Söhne mit sich hinein genommen: Und wann etwas sonderliches ist abgehandelt /hat man die Sache in geheim und verschwiegen gehalten. Wie nun auf einmal der Knabe Papyrius mit seinem Vater vom Rathhauß heimkommen / hat ihn seine Mutter gefraget / was allda fürgefallen und beschlossen wäre? Der Knabe hat sich entschuldiget /und gesaget / er müste es heimlich halten / und nicht offenbahren. Darauf die Mutter noch grössere Begierde bekommen solche Heimlichkeit zu wissen; Hält derhalben je mehr und mehr bey ihrem Söhnlein an /daß ers ihr offenbahre. Da hat der Papyrius eine höfliche Lügen erdacht /[1] und seiner Mutter beygebracht /daß im Rath gehandelt: Ob es nützlicher wäre dem gemeinen Besten / daß eine Frau zween Männer? Oder daß ein Mann zwo Frauen hätte? Die Mutter erschrickt hierüber / gehet alsbald zu andern Matronen; erzehlet ihnen / was sie gehöret. Des andern Tages kamen alle Frauen der Stadt Rom / mit Hauffen aufs Rathhauß gelauffen; Schreyen / bitten / weinen / man möge viel lieber ordnen / daß eine Frau zween Männer nehme / als daß ein Mann zwo Frauen hätte. Der Rath hat sich hierüber verwundert / und nicht gewust / was dieses Wesen und Aufruhr der Weiber bedeutete. Indeme ist der Papyrius aufgestanden / und den gantzen Handel, wie es ergangen / erzehlet. Darauf ist im Rathe beschlossen / daß hernach keine Knaben mehr solten ins Rathhauß kommen / ausgenommen Papyrius, dem solches Privilegium gegeben / wegen seiner Verschwiegenheit und seines subtilen Verstandes.


Hieraus hat die Jugend zu lernen / welch ein herrlich Ding es sey um die Verschwiegenheit: Und daß dieselbe geliebet / hochgehalten / und auch zu seiner Zeit belohnet werde / wie dann der Poet Horatius recht sagt:


Est & fideli tuta silentio Merces.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 1-2.
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