100. Wie [171] Furius Camillus einen untreuen Præceptorem tractiret.

Der vortreffliche Held Furius Camillus, von Geburt ein Römer / hatte einmal aus Befehl des Raths und der Bürgerschafft zu Rom die Stadt Faliscum belägert. Da trug sichs in der Belägerung zu / das ein berühmter Schulmeister / welcher in seiner Disciplin der fürnehmsten Bürger Knaben hatte / mit seinen Discipeln hinaus für die Stadt spatzieren gieng / vorgebend / er wolte sie nicht weit führen / sondern nur Lust und Bewegniß halber vors Thor bringen; Er aber hatte ein falsch Hertze / und gedachte die Kinder und die Stadt zu verrathen. Wie er vors Thor kommen / nöthigte und zwang er die Knaben mit ihm ins Feindes Lager hin und nach dem Furio Camillo zu gehen. Allda anlangend / gieng er für den Camillum, und meldet ihm an / wie daß er der fürnehmsten Bürger zu Falisco Kinder bey sich hätte / die wolt er seiner Macht übergeben / durch das Mittel könte er die Stadt leichtlich und ohne Blutvergiessen gewinnen. Dann wann er die Knaben behalten würde / so würden die Väter / ehe sie die Kinder verliessen / ihm die Stadt gutwillig aufgeben: und meynete hierdurch der Præceptor grossen Danck und reichliche Belohnung vom Camillo zu erlangen: Aber der redliche und ehrenhaffte Camillus hatte keinen[171] Gefallen an solcher Verrätherey: Ließ den Schulmeister nackend ausziehen / die Hände auf den Rücken binden / überlieffert ihn den jungen Knaben / seinen eigenen Discipeln / und gab einem jeglichen eine Ruthe in die Hand / ihnen befehlend / daß sie ihren Præceptorem streichen / und also mit Ruthen nach der Stadt treiben / und ihren Vätern allen verlauffenen Handel offenbaren solten / mit dem angehengten Bericht / des Camilli Meynung wäre nicht /die Stadt mit Verrätherey zu erobern / sondern mit ritterlichen Thaten. Durch diß fromme und redliche Gemüthe des Camilli wurden die Bürger zur Verwunderung und zum Schrecken bewegt: Ubergaben dem Camillo ihre Stadt / verhoffend / ein solcher treuer Mann könte ihnen bey den Römern viel gutes ausrichten /und ihrer verderbter Sachen halben Gnade und Vergebung erlangen.


Verrätherey und Falschheit bekömmt gewiß ihren Lohn.


Finis

I. Centuriæ.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 171-172.
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