70. Von den Griechischen Kämpffen oder Streiten.

[120] Als Griechenland noch im Flor war / da hat man zu gewissen Zeiten / und an gewissen Orten / sonderliche Streite angestellet / sowol zu Ehren der Götter / als zu Ubung des Leibes. Dabey dann die meisten und fürnehmsten aus gantz Græcia erschienen: Theils im Streit sich brauchen zu lassen / in Hoffnung die Victorie davon zu bringen: Theils diesen Schau-Streiten zuzusehen.

1. Der erste Streit ist Certamen Olympicum genennet / und in der Stadt Elide gehalten worden. Erstlich vom Hercule angeordnet / welcher noch vier andere seiner Gesellen zu sich genommen / und mit einander gestritten auf fünfferley Art. Als nemlich 1. im Lauffen / 2. im Springen / 3. im Fechten / 4. im Stein oder Tisch zu werffen / 5. im Ringen mit Fäusten. Wer hierinnen das beste gethan / der ist mit einem Krantz von Oel-Blättern gekrönet worden. Nach geendetem Streit haben sie 5. Tage lang Gasterey angestellet.[120] Und seynd diese Certamina Olympica alle fünff Jahr gehalten worden. Diese Zeit von 5. Jahren ist Olympias genannt: Und haben die Griechen ihre Jahrzahl also von den Olympiade prima zu zehlen angefangen / gleichwie wir Christen von der Geburt Christi.

2. Die andern Streite hat man genannt Pythia: Erstlich von dem Apolline angeordnet / nachdem er den grossen Drachen Pythonem mit seinem Pfeile ermordet hatte. Und dieweil sie in der Stadt Pytho gehalten wurden. Allhie hat man fürnemlich gestritten / 1. in allerley Instrument-Schlagen / als Lauten / Harffen /Posaunen / Pfeiffen und dergleichen. 2. Im Reiten / da man nackt auff blosse Pferde gesessen / und also gerennet. 3. Im Wagen mit zwey Rossen / darauff einer gesessen / und von zween unbändigen Füllen in grosser Geschwindigkeit gezogen worden. Wer hierinnen überwunden / ist mit einem Krantz von Lorbeer-Blättern / zu des Apollinis Ehren / dem dieser Baum zugeeignet / gekrönet worden.

3. Certamina Nemea, sind die dritten gewesen /welche gehalten worden in einem dicken Walde / genannt Nemea, zum Gedächtniß des Archemori, welcher ein junger Knabe / und ein Sohn des fürtrefflichen Gesetzgebers Lycurgi gewesen; Diesen Archemorum hat bey dem Walde Nemea eine Schlange zu tode gebissen / wie er 3. Jahr alt gewesen. Dahero man die Nemea alle 3. Jahr einmal gehalten / und haben hierinne zusammen gestritten / die gewapneten Soldaten und ihre Kinder. Der Uberwinder ist mit einem Krantz von Eppich oder Petersilien (welches ist ein trauriges oder Todten-Kraut) zum Gedächtniß des getödteten Archemori gekrönet worden.[121]

4. Die letzten Streite seynd gewesen Certamina Isthmia, also genannt von dem engen Lande Isthmo in Peloponeso: Erstlich angestellet zu Ehren Palæmonis, oder wie andere wollen / des Melicertæ. In diesen hat man gestritten auf dieselbe Art / wie in den vorhergehenden alle fünff Jahr einmal. Die Uberwinder seynd gekrönet worden mit einem Krantze von Fichten-Blättern oder Dannen-Baum.

In allen diesen vier Streiten haben sie den Brauch gehalten / und den Uberwinder nach erlangetem Siege / in die eine Hand einen Palmenzweig gegeben / ihme dabey grosse Ehre erzeiget und die Stadt / da er zu Hause gehöret / mit solcher Frölichkeit überschüttet /daß die Bürger seine Landsleute / ihn etliche Schritte auf ihre Hände gesetzet / und also getragen / daß er nicht hat an die Erde gerühret. Auch haben sie ihn nicht eingelassen durch die gewöhnliche Thore der Stadt / wie die andern Leute / sondern man hat sonderliche höltzerne Brücken biß über die Stadt-Mauren aufgebauet / über die er getragen worden. Wann er nun in die Stadt kommen / hat man aufm Marckte eine Marmor-Seule aufgerichtet / und darein seinen (des Uberwinders) Nahmen mit güldenen Buchstaben zum ewigen Gedächtniß gegraben. Sonsten aber hat er keine Verehrung bekommen / als nur den Krantz. Und nichts destoweniger sein Leben in Gefahr gesetzet. Dahero bey dem Herodoto eine solche Geschicht gelesen wird: Als der grosse König der Perser / Xerxes, die Griechen mit Kriegs-Macht überzogen hatte /eben zu der Zeit / wie die Olympia gehalten wurden /da hat er einen Griechen gefraget: Was der Gewinst wäre solcher Streite? Wie er aber antwortete: Ein Krantz von Oel Blättern:[122] Hat einer von des Xerxis Obristen / mit Nahmen Tygranes, überlaut geschriehen: O Xerxes, in was für ein Land / und zu was für Leuten hast du uns gebracht! Welche nicht streiten um Reichthum / sondern nur Ehr und Lobes wegen: Es ist auch dem Xerxi diese Kriegs-Expedition sehr übel bekommen.


Begierde des Lobes ist allen Menschen angebohren. Ehre und Ruhm zu erlangen setzet mancher sein Leben in die äusserste Gefahr.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 120-123.
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