100. Von den [988] Tentyritis und dem Thierlein Ichnevmone.

Gegen die grosse Schädlichkeit der Crocodile hat die Natur den Egyptern zweyerley Mittel verordnet. Denn es wohnet ein Volck im Nilo, die Tentyritæ von ihrer Insul genannt / welche allein den Bestien sich dürffen widersetzen. Diese schwimmen in den Fluß / setzen sich den Crocodilen auf den Rücken wie Reuter / und wann solche mit umgewendeten Kopff den Rachen zum Biß aufsperren / stecken sie ihnen eine Kolbe ins Maul / halten dieselbe fest mit beyden Händen / treiben sie damit / als mit Zäumen / gefangen ans Land /und zwingen sie auch mit blosser Stimme / daß sie die neulichst verschlungene Cörper wieder zur Begräbniß ausspeyen müssen. Darum schwimmen die Crocodilen allein an diese eintzige Insul nicht / und werden auch durch den blossen Geruch dieser Leute verjagt. Uber das wird in Egypten gefunden ein klein Thierlein / Ichnevmon von Diod. Siculo genannt / welches die Oerter in acht nimmt / da die Crocodilen ihre Eyer hinlegen / und dieselbe darnach verdecket; ja es wältzet sich diß Thierlein wunderlicher Weise im Koth und Schlamm / und nimmt wahr / wann der Crocodil am Ufer des Wassers mit offenem Rachen schläfft /alsdenn springt es durch desselben Maul in das innerste Gedärme / beist sich geschwinde zum Bauch heraus / tödtet seinen Feind hierdurch alsbald / und kommt selbst ohne Gefahr davon.


Gemeiniglich / wo sich in einem Lande schädliche Dinge finden / da hat auch die Natur heilsame Mittel gegen dieselbe hervor gebracht / daher wird im Sprichwort gesagt: Daß in Egypten das schädlichste Gifft / und dagegen die beste Artzney gefunden werde.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 988.
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