70. Närrische Liebe [960] Candaulis.

In der ersten Centurie dieser Historien ist eine Fabel erzehlet von des Gygis Ringe / wie dieselbe[960] vom Platone und Cicerone weitläufftiger erzehlet wird: Damit man nun den Ursprung derselben wisse / so wirds nicht unlieblich seyn / die warhafftige Historie selbst aus dem Justino zu erzehlen. Candaules ein König in Lydia hatte ein Gemahl / welche er wegen ihrer Schönheit so sehr liebte / daß er nicht vergnüget war mit heimlicher Empfindung seiner Wollust / sondern auch andre / insonderheit Gygi, einem seiner geheimtesten Räthe / seines Weibes Schönheit öffentlich rühmete. Weil aber Gyges solches wenig achtete / verhieß Candaules, er wolte sie ihm nacket zeigen /damit er seinen Worten desto mehr Glauben zustellete. Gyges erschrack / und weigerte sich sehr: Es mochte aber nichts helffen / Candaules verbarg ihn in seiner Schlaf-Kammer / damit er sähe / wie sich die Königin gantz nackend auszog / und zu Bette legte. Als sie nun Gyges gnug besehen hatte / gieng er heimlich wieder zur Kammer hinaus; ward aber ungefehr von der Königin ersehen / welche diese Schmach dermassen verdroß / daß sie des folgenden Tages Gygem zu sich ruffen ließ / und ihm die Wahl gab /ob er lieber so bald sterben / oder den König erwürgen wolte. Gyges erwehlte das letztere / ward von der Königin in der Kammer gleicher Weise verborgen /tödtete Candaulem des Nachts / und bekam also sein Weib samt dem Königreich.


Das mag wohl heissen: Omnis amans amens, & habet sua castra cupido.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 960-961.
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