74. Vom Sprichwort: [964] Cerberum ab inferis extrahere.

Cerberus, wie die Poeten dichten / ist gewesen ein grausamer / dreyköpffiger / feuerspeyender Höllen-Hund / welchen der tapffere Hercules mit Gewalt aus der Höllen gezogen hat / weil er aber das Licht nicht vertragen konte / hat er für Grimmigkeit dergestalt mit dem Munde geschäumet / daß der Schaum auf die Erde geflossen / und gifftig Kraut aus demselben gewachsen ist. Strabo, Seneca und andere / welche die Warheit dieser Fabel meynen herfür zu bringen /geben vor / daß eine schädliche Schlange gewesen sey in der tieffen Höle des Spartanischen Vorgebürges Tenari, welche Hercules habe getödtet. Palæphatus aber sagt / als Hercules den Geryonem überwunden in der Stadt / welche Tricarenia, das ist dreyköpffig hieß / und[964] seine Ochsen weggeführet habe / da sey der Heerde gefolget ein sehr grimmiger Hund / Cerberus genannt. Als er aber in Peloponnesum kommen sey /da ein reicher Mycœnischer Mann / Molossus geheissen / Lust zum Hunde bekommen / und weil er ihn durch Bitte von Eurystheo nicht erlangen konte / habe er mit den Hirten gehandelt / daß sie ihn in der Höle des Berges Tænari enthielten / allwo er auch etliche Hündinnen zu ihm gelassen. Eurystheus aber habe Herculi befohlen / den Hund wieder zu schaffen /welcher denselben endlich in dieser Höle gefunden /von dannen mit Gewalt wieder heraus gerissen / und zum Könige gebracht hat. Andere legen die Fabel aus von dem Cerbero des Molosser Königs Aidonei. Es ist aber aus der Fabel das Sprichwort entsprungen / Cerberum ab inferis extrahere, welches gebrauchet wird / wann eine schwere Sache verrichtet oder erkläret wird.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 964-965.
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